reiseberichte
jemen
Lebendige Traditionen - April 05


Inhalt

Sana'a - eine Maerchenstadt aus 1001 Nacht

Arabia felix – das glueckliche Arabien

Kulinarische Ausfluege

Aufgeblasene Backen

Wo der Kaffee herkommt

Maennerwelt – von Krummdolchen und "dishdashas"

Frauenwelt – geheimnisvolle Augenpaare

Auf der Strasse

Laute und Trommel

Mit Eseln durch die Berge

 


Sana'a - eine Maerchenstadt aus 1001 Nacht


"Sana’a zu sehen, ist eine Reise wert, solange sie auch dauert." arabisches Sprichwort 

Die quaderfoermigen Steinhaeuser in der Altstadt von Sana'a ragen turmartig in den Himmel. Dazwischen liegen schmale, verwinkelte Kopfsteinpflastergassen, in denen es richtig Spass macht, sich zu verirren. Das Ganze ist unglaublich stimmig und harmonisch, ein architektonisches Meisterwerk, an dem man sich kaum satt sehen kann. Jedes Haus ist mit weissen Mustern, die in horizontalen Streifen verlaufen, individuell verziert. Auch die Fenster sind mit weisser Farbe umrahmt und oben von einem halbrunden Mosaik aus bunten Glasscheiben gekroent. Scheint die Sonne, bringen die Fenster Farbe in den Innenraum. Nachts hingegen, wenn in den Zimmern Licht brennt, dreht sich der Effekt um, und die Fassaden leuchten von aussen maerchenhaft.

 

Ab und zu sind an den Haeusern kleine Erker aus Holz oder Stein zu finden. Letztere dienten frueher, als es noch keine Kuehlschraenke gab, zur Aufbewahrung der Lebensmittel. Jene Erker, die oberhalb der Eingangstueren platziert sind, haben eine besondere Funktion. Sie sind mit kleinen Schlitzen versehen, durch welche die Frauen nach unten schauen und den ankommenden Besuch betrachten koennen, ohne selber gesehen zu werden.

 

Unvermittelt oeffnen sich die Gassen manchmal zu einem kleinen Platz, und immer wieder stoesst man auf oasengleiche Senkgaerten mit Palmen und Gemuese. Noch heute stehen die alten Karavansereien, in denen frueher die Kamelkaravanen auf ihrer Durchreise eingekehrt sind. Waeren da nicht die Autos, man koennte glauben, man waere auf einer Reise in die Vergangenheit.

 

Im suedlichen Teil der Altstadt steht die Grosse Moschee, eine der aeltesten Moscheen der Welt. Sie ist ganz weiss, die Minarette sind von stilvoller Schlichtheit. Bereits Morgens um vier ruft der Muezzin das erste Mal zum Gebet. Und er ist nicht alleine, es gibt in der Altstadt 103 Moscheen, die Allah ueber Lautsprecher um die Wette preisen. Um halb sechs folgt das zweite Gebet, und bald darauf kommt Leben in die Stadt. Der Gasmann steuert seine schwere Schubkarre durch die Gassen und klopft mit einem Metallstab gegen die aufgeladenen Gasflaschen, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Ein kleiner Junge preist an der Ecke frische Broetchen an.

 

Auf dem Markt

Am Abend tauchen wir fuer einige Stunden in den Markt ein (arabisch = souq). Wir finden uns wieder in einer bunten, duftenden und lebendigen Welt. Vorbei an Tontoepfen, Metalllaempchen, Teppichen, Silberschmuck, Plastikeimern, Krummdolchen, Rosinen, Datteln und Raeucherstaebchen geht's zu den Gewuerzen, wo die Luft erfuellt ist von einem undefinierbaren Duft-Mix. In Koerben aufgetuermt gibt es hier Kardamom, Gelbwurz, Zimt, Kuemmel oder getrockneten Ingwer zu kaufen. Die kleinen Shops sind teilweise so klein und so vollgestopft, dass sich der Verkaeufer kaum umdrehen kann. Besonders amuesiert uns die Kleiderabteilung. Ob die Frauen tatsaechlich unter ihrer schwarzen Verhuellung solche hautenge Kleidchen, getigerte Tops und knappe Miniroecke tragen?

 

In der Gasse der Naturheiler lernen wir Taha, den Kraeuter-Doktor kennen. Sein kleiner Laden ist voll mit Hausmittelchen. In kleinen Schubladen und in Glaesern bewahrt er getrocknete Beeren und Kakteen-Stuecke, gemahlene Samen und andere Pflanzenteile auf. Er verraet uns, dass er ein Oel gegen Rheuma entwickelt hat, das er gerne in Europa verkaufen wuerde. Was es drin hat, weiss nur er, es ist sein Geheimnis. Wir haben gerade mal wieder Magenprobleme, und auch da weiss Taha, was zu tun ist. Er nimmt eine handvoll zermahlenes Harz, fuegt einige dunkelbraune Steine und die Samen einer speziellen Pflanze hinzu und erklaert uns, wir muessten das Ganze mit heissem Wasser aufgiessen und wie einen Tee trinken. Frei nach dem Motto “nuetzts nuet, so schadts nuet!" Wer zufaellig mal in Sana'a vorbeischaut, sollte Taha kurz besuchen, es lohnt sich auf jeden Fall (Taha Husain Alrune, Old Sana'a, Almetara Market).

 

Die Strasse, die auch ein Fluss ist

Nach dem Souq zieht es uns zum Wadi Saila. Diese asphaltierte Strasse, die nach starken Regenfaellen zum Fluss wird (Wadi = Flusstal), liegt am Rande der Altstadt. Es hat die letzten Tage wiederholt geregnet, und nur noch einige Mutige pfluegen sich mit ihren Autos durchs Wasser. Ansonsten gehoert die Strasse, beziehungsweise der Fluss, heute den Kindern. Sie lassen ihre Schuhe ein Stueck weit schwimmen, schicken kleine Petflaschenboote auf die Reise, springen mitsamt den Kleidern ins braune Dreckwasser und spritzen sich gegenseitig voll. Gewandt klettern sie die schraeg aufgemauerten Seitenwaende hoch und rutschen ins Wasser hinunter. Rundherum sind froehliche Gesichter zu sehen, und das ganz ohne Funpark.

 

Zugegeben, wir kommen fast ein bisschen ins Schwaermen und widmen Sana'a gar viele Zeilen. Vielleicht ist es die gemuetliche Altstadt-Atmosphaere, die uns irgendwie an unsere Zeit in Rapperswil erinnert hat. Vermutlich liegt es aber auch daran, dass Sana'a wirklich ein spezieller Ort ist, der ganz anders ist als alle Staedte, die wir bisher gesehen haben. Sie gehoert verdienterweise seit 1986 zum UNESCO Weltkulturerbe. Doch die alten Gebaeude in Stand zu halten, kommt einer Sisyphusarbeit gleich. Kaum ist ein Haus fertig renoviert, beginnt auch schon das naechste zu broeckeln.


Arabia felix – das glueckliche Arabien

Der Jemen war bei den Roemern bekannt als "Arabia felix", das glueckliche Arabien, weil es so fruchtbar war und erfolgreichen Handel betrieb. Das Land hat eine sehr alte Kultur, es war Teil verschiedener Koenigreiche, unter anderem des Minaeischen und Sabaeischen. Noch heute ranken sich blumige Legenden um die Koenigin von Saba, und ihr Name ziert viele Firmenschilder. Der Jemen ist das wohl urspruenglichste Land der arabischen Halbinsel und hat seine ganz eigenstaendige, unverwechselbare Kultur bewahrt. Kein Vergleich mit den Arabischen Emiraten beispielsweise, wo der Oelreichtum zu einem zweifelhaften Fortschritt gefuehrt hat.

 

Die Geschichte des Jemens ist bewegt. So war der Norden zweimal unter osmanischer (tuerkischer) Besetzung, einmal von 1639 bis 1730 und erneut 1849 bis 1918. Der Sueden hingegen war 1839 bis 1967 unter britischer Besatzung und wurde dann sozialistisch. 1990 vereinigten sich die beiden Teile zur Republik Jemen. Doch bereits vier Jahre spaeter entbrannte ein Buergerkrieg um den Erhalt der Vereinigung, aus dem der Praesident des ehemaligen Nordjemens als Sieger hervorging. Noch heute regiert er das Land und scheint (zumindest im Nordjemen) sehr beliebt zu sein. Sana'a ist heute die Hauptstadt des Landes. Deutlich spuert man die Unterschiede zu Aden, der ehemaligen Hauptstadt des Suedens. Einst eine bedeutende und florierende Handelsstadt, wirkt heute alles ziemlich heruntergekommen. Wiederholte Bombenanschlaege auf auslaendische Handels- und Kriegsschiffe haben den Schiffsverkehr in Aden auf ein Minimum reduziert.

 

Allgemein ist die wirtschaftliche Lage des Landes nicht sehr rosig, vom einstigen "Arabia felix" ist nicht mehr viel uebrig. Die Leute sind sehr arm, die Arbeitslosenrate hoch. Das Oel ist der bedeutendste Wirtschaftsfaktor, doch es wird kein Teil soviel gefoerdert wie in anderen Staaten. Im weiteren scheint auch nicht wirklich klar zu sein, wer die Nutzniesser der Oelverkaeufe sind. Einen schweren Rueckschlag erhielt die Wirtschaft waehrend des Golfkrieges, als sich der Jemen nicht deutlich fuer Kuwait aussprach und mit Irak sympathisierte. Es folgten Sanktionen, und Tausende Jemenitische Arbeiter wurden aus Saudi-Arabien ausgewiesen.

 

Reisen im Land der Kalaschnikovs

Der Tourismus, der zweitwichtigste Einkommenszweig, ging mit den Anschlaegen vom 11. September 2001 drastisch zurueck und erholt sich erst langsam wieder. In den vergangenen Jahren war in den Medien auch immer wieder von entfuehrten Touristen zu lesen, was natuerlich auch nicht gerade foerderlich ist. Bis auf einige Ausnahmen verliefen die Entfuehrungen gluecklicherweise glimpflich, und viele Geiseln berichteten nach ihrer Freilassung, dass sie ausgesprochen gastfreundlich behandelt wurden. Meist ging es um "harmlose" Forderungen wie den Bau einer Schule oder den Anschluss eines abgelegenen Dorfes an die Elektrizitaet.

 

Am besten informiert man sich vor einer Reise ueber die aktuelle Situation, da sich die Dinge sehr schnell aendern. Momentan (April 2005) ist der Norden aufgrund von Stammeskonflikten nicht bereisbar. Die zahlreichen Staemme scheinen relativ autonom und maechtig zu sein. Den verschiedenen Clans steht jeweils ein Scheich vor, der bei Problemen vermittelt.

 

Auch in die Wueste im oestlichen Teil des Landes laesst es sich nicht so einfach reisen. Nach Marib kommt man nur mit Polizeieskorte, und wer von da aus weiter will, muss einen Beduinen als Begleitung anheuern, um sich vor Ueberfaellen zu schuetzen. Das alles ist natuerlich nicht ganz gratis. Unsere Idee war es urspruenglich, mit Kamelen durch die Wueste zu reiten. Es war uns dann aber definitiv zu bloed, dabei von einem Beduinen im Auto begleitet zu werden...

 

Offiziell ist es nicht erlaubt, alleine im Land herumzureisen. Will man sich ausserhalb von Sana'a bewegen, muss man ein Auto mit Fahrer mieten, der sich auch um die notwendige Reise-Bewilligung kuemmert. Dementsprechend ist der Jemen nicht das Land der Individualreisenden. Wir treffen vorwiegend gefuehrte Gruppentouren mit Leuten zwischen 50 und 90 an. In der Realitaet ist es jedoch moeglich, alleine mit dem oeffentlichen Bus zu reisen. Einzige Huerde dabei sind die militaerischen Kontrollposten, die einem nach Lust und Laune den Tag versuessen oder verderben koennen. Unsere Busfahrt von Aden nach Sana'a verlief jedenfalls problemlos.

 

Aufgrund der kursierenden Geschichten bezueglich den Entfuehrungen und um unnoetige Reibereien mit Kontrollposten zu vermeiden, haben wir uns entschlossen, unsere Tour durch die Berge mit einem Fahrer zu versuchen. Es stellte sich jedoch heraus, dass dies nicht ganz leicht ist fuer Leute, die es sich gewohnt sind, alleine unterwegs zu sein. Mehr dazu spaeter in diesem Bericht. Nur soviel sei schon jetzt verraten: Im nachhinein wuerden wir jedem Individualisten raten, es auf eigene Faust zu versuchen!


Kulinarische Ausfluege

Im "Salta"-Restaurant herrscht diesen Freitag Hochbetrieb. Nach dem Beten in der Moschee hat es die Maenner hierher gezogen. Ueber einer grossen Gasflamme steht ein riesiger Eisentopf, dahinter der schwitzende Koch. Vis-à-vis ist die Backstube. Denn ein Essen ohne Brot ist im Jemen undenkbar. Es geht laut zu und her, jeder versucht, sich im Tumult Gehoer zu verschaffen. Kaum haben wir uns hingesetzt, schon steht ein flacher Topf mit feuerheisser "Salta" vor uns. Der Eintopf besteht aus faserigem Suedfleisch und verschiedenem Gemuese. Der gruenlichweisse Schaum obendrauf ist zerkochter Bockshornklee. Das duftende Fladenbrot, das dazu serviert wird, ersetzt den Loeffel. Gebacken wird es, indem der ausgewallte Teig an die Innenwand des zylinderfoermigen Ofens geklebt und dort eine Weile belassen wird. Das frische, noch warme Brot schmeckt einfach wunderbar!

 

Ein anderes Mal laedt uns Taha, der Kraeuterdoktor, den wir in der Hauptstadt kennengelernt haben, spontan zu sich nach Hause ein. Auf eine auf dem Boden ausgerollte Matte stellt er die verschiedensten Gemuese- und Fleischgerichte. Alle setzen sich rundherum auf den Boden und bedienen sich direkt aus den Toepfen. Immer wieder klopft es an die Tuer, ein Zeichen dafuer, dass seine "unsichtbare" Frau ein weiteres Gericht hingestellt hat. Sie ist nicht dabei beim Essen, da kein fremder Mann sie sehen darf. Selbst Taha's bester Freund hat das Gesicht seiner Frau noch nie in Natura gesehen. Wuerde es einmal dazu kommen, so waere ihre Freundschaft per sofort beendet. Caroline kriegt nach dem Essen die Gelegenheit, sie zu begruessen, doch fuer Migg bleibt sie die geheimnisvolle Unbekannte.


Aufgeblasene Backen

Das "Mafraj" (sprich: "Mafretsch") ist so etwas wie das Wohnzimmer eines Hauses und befindet sich meist in der obersten Etage. Woertlich ist es der “Raum mit Aussicht”, eine Art Gemeinschaftszimmer mit bunten Sitzkissen entlang den Waenden. Hier verbringen die Maenner (und manchmal die Frauen unter sich) Stunden mit Rauchen, Schwatzen, Tee trinken und natuerlich mit Qat kauen. Qat ist die Volksdroge Nummer eins. Die jungen, zarten Blaettchen des Baumes Catha edulis werden zerkaut und in der Backentasche deponiert. Dabei wird nur der Pflanzensaft geschluckt. Der fein zermahlte, giftgruen gefaerbte Rest wird irgendwann Abends ausgespuckt.

 

Um ein Uhr Nachmittags faellt jeweils der Startschuss zum Qat-Kauen, und ab dann laeuft im Land nicht mehr viel. Alle sitzen, stehen oder liegen mit aufgeblasener Backe herum, angefangen beim Taxichauffeur bis hin zum diensthabenden Polizisten. Nahezu jeder, der es sich leisten kann, scheint mitzumachen. Es macht jedoch den Anschein, dass das Kauen von Qat bei hoeher gebildeten Leuten eher verpoent ist. Das Gruenzeug ist verhaeltnismaessig teuer. Der Preis variiert je nach Qualitaet und Nachfrage. Je zarter und frischer die Blaettchen, desto teurer sind sie. Und findet in einem Dorf gerade eine Hochzeit statt, schnellen die Preise in die Hoehe.

 

Qat putscht auf, gibt ein gutes Gefuehl und soll, so wird gefluestert, auch aphrodisierende Wirkung haben. Ueber seine Entdeckung erzaehlt man sich eine lustige Geschichte. So soll eine Ziege, die vom Strauch gegessen hat, ploetzlich voller Energie herumgesprungen sein…

 

Die Schattenseiten sind die resultierende Schlaf- und Appetitlosigkeit sowie ein gewisses Suchtverhalten. Wir haben unterwegs einige Maenner getroffen, die richtig ungehalten waren, wenn sie aus irgendwelchen Gruenden keinen Qat kaufen konnten. Auch wirtschaftlich ist das Ganze nicht unproblematisch. Die Leute geben einen namhaften Teil ihres Einkommens fuer die Blaetter aus, und die Qat-Baeume besetzen eine grosse fruchtbare Anbauflaeche, auf der auch anderes gedeihen wuerde. Doch solange die Bauern mit dem Qat die hoechsten Gewinne erzielen, aendert sich auch nichts. Hinzu kommt auch, dass Nachmittags fuer einige Stunden so ziemlich gar nichts laeuft, was fuer's taegliche Geschaeft nicht unbedingt foerderlich ist.

 

Auch wir probieren natuerlich die Wunderblaettchen. Denn, so meint unser jemenitischer Freund Amin: “If you haven’t chewed qat, you haven't been to Yemen”. Isst man das Gruenzeug zum ersten Mal, kommt man sich schon ein wenig vor wie eine Ziege. Doch mit der Zeit beginnt es ganz gut zu schmecken.

In einem Hotel in den Bergen haben wir den ganzen Nachmittag Qat gekaut und warten nun ungeduldig aufs Abendessen. Denn bei uns hat das Kraut irgendwie keinen appetitzuegelnden Effekt, im Gegenteil. Migg sagt zu mir: "Ich warte noch, bis das Abendessen kommt, dann spucke ich den Qat aus." Immer wieder gehen die Angestellten an uns vorbei, schauen kurz zu uns rueber und gehen dann weiter. Rundherum kriegen alle ihr Abendessen, nur wir nicht. Wir warten mit knurrendem Magen noch eine Weile, dann fragen wir nach, warum das Essen nicht kommt. "Du hast ja immer noch Qat im Mund", sagt der Kellner zu Migg, "wir wollten warten, bis du fertig bist!"


Wo der Kaffee herkommt

In den Bergen entdecken wir zwischen den Qatpflanzen immer wieder kleine Anpflanzungen mit Kaffeestraeuchern. Sie sehen zwar teilweise sehr mitgenommen und durstig aus, tragen aber leuchtendrote Fruechte. Der Jemen war einst bekannt fuer seinen Kaffee, was der lateinische Name der Pflanze, Coffea arabica, verdeutlicht. Von Aethiopien gelangte die Pflanze auf die Arabische Halbinsel und wurde schliesslich von den Tuerken in Europa bekannt gemacht. Der Name "Mokka" stammt von "Al Mukha", der jemenitischen Stadt am Roten Meer und dem einst beruehmten Ausfuhrhafen fuer den Kaffee. Im 18. Jahrhundert schnellten die Preise derart in die Hoehe, dass die Pflanze aus dem Land rausgeschmuggelt wurde auf der Suche nach billigeren Anbaumoeglichkeiten. In Brasilien und Kolumbien war das Klima guenstiger, die Pflanzen gediehen besser und so war der Jemen bald nicht mehr konkurrenzfaehig. Der Kaffee, den man heute hier zu trinken kriegt, laesst nicht gerade auf seine glorreiche Vergangenheit schliessen. Es wird nicht nur der Kaffee aus den Bohnen getrunken, sondern auch ein Gebraeu aus der Schale. Das schmeckt dann wie ein Gemisch aus Kaffee und Tee, so richtig waessrig und eklig. Da halten wir uns lieber an den richtigen Tee, der mit Kardamom und Nelken serviert wird.


Maennerwelt – von Krummdolchen und "dishdashas"

Das oeffentliche Leben wird ganz klar von den Maennern gepraegt. Sie sind temperamentvoll, wirken oft ein wenig ungeduldig und werden zwischendurch auch mal laut. Gekleidet sind sie sehr traditionell. Sie tragen entweder eine "dishdasha", ein langes, meist weisses "Nachthemd" aus Baumwolle, oder aber einen gemusterten "Wickelrock", dazu Hemd und Blazer. Nie fehlt die Dschambia, der verzierte Krummdolch, der in einem bestickten, breiten Guertel steckt. Auf dem Kopf tragen sie ein kunstvoll gebundenes Tuch. Die Kleidung verleiht ihnen alles in allem ein stolzes, recht wildes Aussehen. Nur zu gut kann man sich die Stammesunruhen vorstellen... Der Krummdolch, so versichert uns ein Jemenite, sei auch keinesfalls nur Zierde, er werde ab und zu durchaus gebraucht. Ueberhaupt herrscht bezueglich Waffen eine Lockerheit, die uns immer wieder irritiert. So ist es voellig normal, mit einer Kalaschnikov ueber der Schulter durch die Stadt zu gehen. Geht man mit einem Guide auf ein Trekking, so hat er je nach Gefaehrlichkeit der Region entweder eine Kalaschnikov oder "nur" eine Pistole dabei. Da sind die Schweizer mit ihrer Militaerknarre unter dem Bett ja direkt harmlos...

 

Die Jemeniten sind groesstenteils sehr freundlich. Wir setzen uns oft irgendwo an einer Ecke hin und beobachten das Geschehen. Meist bleiben wir nicht lange allein. Immer wieder setzt sich jemand zu uns, redet ein bisschen mit uns, und ab und zu bekommen wir mitten auf der Strasse Tee, Kuchen oder Qat geschenkt. Wir unterhalten uns in Englisch, versuchen aber, ein bisschen arabisch zu lernen. Zumindest eine anstaendige Begruessung kriegen wir hin: "al-salaam aleikum" (Hallo), "wa aleikum al-salaam" (Hallo als Antwort), "keif halak"? (Wie geht es dir?), darauf zur Antwort: "alhamdulillah" (alles Lob gebuehrt Allah) oder "tamam" (okay). Allgegenwaertig ist auch der Begriff "Insch'Allah" (so Gott will). So sagt man einfach, "wir sehen uns morgen um zwoelf, so Gott will" und ist dann fein raus, wenn's nicht klappt...

 

Als Frau hat man es nicht immer leicht in diesem Maennerverein. Zur Begruessung geben einem die Maenner zwar die Hand, schauen aber demonstrativ auf die andere Seite. Daran muss man sich erst einmal gewoehnen… Sie reden mit Caroline oftmals in der dritten Person, fragen also Migg: "Will sie auch noch etwas trinken?". In Gespraechen wird man oft einfach ignoriert und muss sich richtig bewusst einschalten, wenn man etwas sagen will.


Frauenwelt – geheimnisvolle Augenpaare


"Dr Sidi Abdel Assar vo el Hama, het mal am Morge frueh no im Pijama, ir Schtrass vo dr Moschee, zwoei schoeni Ouge gseh, das isch der Afang worde vo sim Drama…" 

Dieser Liedtext von Mani Matter ging uns oft durch den Kopf, wenn wir auf der Strasse den tief verschleierten Frauen begegneten. Nur die Augen sind zu sehen, manchmal sind sogar diese verdeckt. Nur einige wenige tragen ihr Gesicht offen. In ihren schwarzen, bodenlangen Gewaendern eilen die Frauen fledermausgleich durch die Strassen und machen unauffaellig ihre Besorgungen.

 

Die jemenitischen Frauen, so wird gesagt, seien von ganz spezieller Schoenheit. Caroline, die einige gesehen hat, meint, es stimme. Und Migg hat schon das eine oder andere Augenpaar gereicht, um hin und weg zu sein. Ein Fluechtling aus Somalia, der im Jemen lebt, meinte: "Bestimmt waere eine Jemenitin Miss World, duerften die Frauen nur teilnehmen an diesem Wettbewerb…"

 

Religion und vor allem Tradition bestimmen das Leben ganz stark. Noch immer werden die meisten Hochzeiten arrangiert. Das Brautpaar lernt sich erst am Tage der Hochzeit kennen. Die Mutter sucht fuer ihren Sohn die nach ihrer Ansicht passende Frau aus. Wer Glueck hat, lernt seine zukuenftige Frau schon im Sandkasten kennen. Im Kindesalter findet eine Trennung zwischen den Geschlechtern nur bedingt statt und die Maedchen tragen auch keinen Schleier. In manchen Orten sind die Schulen sogar gemischt. Der Mann muss fuer die Frau bezahlen. Eine Hochzeit im Jemen kostet mittlerweile so viel, dass viele Maenner es sich nicht leisten koennen und darum Single bleiben. Spricht man mit jungen Leuten, spuert man, dass sie mit den arrangierten Hochzeiten selber ihre Muehe haben.

 

Es ist nur sehr schwer moeglich, voreheliche Bekanntschaften zu schliessen. Je laenger je mehr findet jedoch ein verdecktes Naeherkommen statt, indem verschiedene Tricks angewendet werden. Moechte man gemeinsam ausgehen, so koennte beispielsweise ein Mann einfach die Identitaetskarte seiner Schwester mitnehmen. Bei einer Polizeikontrolle handelt es sich bei der Begleitung dann nicht um die Freundin, sondern um die Schwester. Ueberprueft wird dies nicht, denn niemand darf von einer Frau verlangen, ihren Schleier zu lueften. Im uebrigen ist dies auch ganz praktisch, wenn man ohne Fuehrerschein autofahren will: Dann nimmt man einfach den Ausweis seiner Mutter oder Schwester mit, wer merkt das schon…

 

Das versteckte Treffen ist jedoch immer mit einem starken Risiko fuer die Frau verbunden. Geht das Spiel zu weit, so moechte der Mann sie aus religioesen Gruenden nicht mehr heiraten und sie wird dann moeglicherweise als "leichtes Maedchen" abgestempelt. Wird ein Paar in flagranti erwischt, so geraet auch die ganze Familie in Verruf und wird von streng traditionellen und glaeubigen Nachbarn in den Schmutz gezogen.

 

Wie in allen islamischen Laendern ist es auch im Jemen erlaubt, bis zu vier Frauen zu heiraten. Nicht selten sieht man einen Mann, der mit seinen zwei oder drei Frauen einkaufen geht. Ein fuer uns fremdes Bild: Er schreitet voran, die schwarzgekleideten Frauen mit zwei Metern Abstand hinter ihm her.

 

In Sana'a lernen wir die 23jaehrige Aswan kennen. Sie studiert an einer Privatschule Englisch und arbeitet abends als Moderatorin bei einer Radiostation. Sie ist sehr offen und interessiert, mit Leuten aus anderen Laendern Kontakt zu haben. Sie macht mit uns ein Interview fuers Radio und erzaehlt, das alles sei nur moeglich, weil ihre Familie sehr fortschrittlich sei und sie sehr unterstuetze. Ihr Bruder oder Vater bringen sie jeweils zur Arbeit und holen sie nachts wieder ab. Klar wuerden die Nachbarn sich darueber auslassen, dass sie so spaet arbeite. Doch "I don't care what people think" sagt sie mit perfektem amerikanischem Akzent. Sie ist ueberzeugt, dass sich im Jemen in den naechsten Jahren fuer die Frauen einiges zum Positiven aendern wird. Aswan ist fuer uns ein Beispiel dafuer, dass die alten Strukturen langsam Risse bekommen und die Frauen ihre Rechte einfordern. Immerhin scheint die Frauenquote an den Universitaeten bereits jetzt sehr hoch zu sein.

 

Mit Aswan und ihrem Vater machen wir an einem Freitag einen Ausflug ins nahe Wadi Dahr, wo auf einem hohen Felsen der Palast eines frueheren Imams (arab. Herrscher) thront. Viel weiter als bis zu diesem Tal, das gerade mal 14 Kilometer von Sana'a weg ist, ist sie bisher noch nicht gekommen. Ihr Traum waere es, einmal nach Malaysia zu reisen. Nach Europa wuerde sie sich nicht trauen, aus Angst, mit ihrer islamischen Kleidung nicht akzeptiert zu werden.


Auf der Strasse

Gewiss haben wir auf unserer Reise schon so manches alte Auto gesehen. Doch was hier auf den Strassen rumfaehrt, schlaegt alles und ist irgendwie kultig. Die Karren brechen fast auseinander und sind total zerbeult. Im Innern fehlt oftmals die gesamte Verschalung. Da ist nur noch Metall, vorne das Steuerrad, ein Drahtgewirr und natuerlich der Radio, denn ohne laute arabische Musik macht das Fahren keinen Spass. An vielen Autos sind alte Landesaufkleber oder irgendwelche deutschen oder schweizerischen Firmenschilder zu erkennen. Nicht selten sieht man auch Wagen, die unter dem jemenitischen Nummernschild ein Deutsches tragen. Wir lassen es mal dahingestellt, wie sie ihren Weg hierher gefunden haben...


Laute und Trommel

Haben wir uns zu Hause manchmal ab dem arabischen "Gedudel" in den DRS 3-Multikulti-Specials genervt, so gefaellt uns die Musik hier ploetzlich sehr gut.

In einem Hotel in den Bergen bekommen wir die Gelegenheit, Live-Musik zu hoeren und dazu typische jemenitische Taenze anzuschauen (und auszuprobieren). Es ist zwar eine Vorfuehrung, die extra fuer die Hotelgaeste organisiert wird, doch es kommt so natuerlich und voller Freude rueber, dass es richtig Spass macht, zuzuschauen. Bald sind wir selber am Tanzen, zusammen mit den Einheimischen und mit den Angestellten der deutschen Botschaft, die gerade auf einem Ausflug in die Berge sind. Zu den warmen Klaengen der dickbauchigen Laute (arab. = oud) und dem Rhythmus der weittragenden Trommeln geht's hin und her, auf und ab. Dazu singen die Maenner schmachtend ueber die Liebe. Dann folgt der klassische Krummdolchtanz, zu dem die Maenner ihre Dschambia ziehen und in der Luft herumschwenken.

 

Im Hotel haben wir eine Journalistin und einen Fotografen vom Magazin "National Geographic" kennengelernt. Sie waren unterwegs fuer eine Reportage zum Thema "Altes Arabien", die in der Oktober-Ausgabe 2005 erscheint.


Mit Eseln durch die Berge

Nach vier Stunden geduldiger Verhandlung im arabischen Stil steht der Deal endlich, und wir koennen zwei Esel mit auf unser Trekking nehmen. Fuer sechs Tage wollen wir durch die Haraz-Berge suedwestlich von Sana'a ziehen. Die Tour in Suedchina hat uns etwas gelehrt: Diesmal tragen wir die Rucksaecke und das Essen nicht selber, sondern packen es auf zwei suesse Eselchen. Mit dabei sind ausserdem Nabil, der ortskundige Neffe des Eselbesitzers, der uns eine Route zusammengestellt hat, sowie unser Fahrer Mohammed. Fuer die beiden ist eine mehrtaegige Tour mit Eseln eine ganz neue Erfahrung.

 

Terrassenlandschaft

Die Landschaft, durch die wir wandern, ist phantastisch: Die Berghaenge sind von oben bis unten terrassiert mit Trockenmauern. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass Stein fuer Stein von Hand aufgeschichtet wurde. Wie Hoehenlinien auf einer Karte ziehen sich die Mauern harmonisch durch die Gegend. Fanden wir schon die chinesischen Reisterrassen wunderschoen, so ist dieser Anblick noch beeindruckender. Denn die Mauern stehen selbst an Orten, wo man es kaum fuer moeglich haelt, sie zu bauen. Man findet sie in tiefen Schluchten ebenso wie an den steilsten Haengen. Auf den entstehenden Ebenen wird Weizen, Gemuese, Futter fuer die Esel sowie Qat und Kaffee angebaut. Und das alles in Handarbeit. Gepfluegt wird mit eingespannten Eseln. Auf manchen Terrassen wachsen Akazien mit schirmartigen Kronen, darunter hohe Wiesen, in denen sich die Ziegen vergnuegen. Entlang der Terrassen wandern wir auf schmalen Wegen durch eine vielseitige Vegetation. An den felsigen Boeschungen gedeihen zahlreiche Zwiebelblueher und Kakteen, die uns um einiges ueberragen. Am Wegesrand entdecken wir Katzenminze und Duftsalbei sowie eine spezielle Lavendelart.

 

Haeuser, die den Himmel beruehren

Immer wieder passieren wir Doerfer, die wie Burgen auf den Felsspitzen thronen. Die Turmhaeuser fuegen sich perfekt in die Landschaft ein. So stimmige Proportionen kriegen heute nicht mehr viele Architekten hin. Schade ist, dass von der Plastiktuete bis zur Petflasche einfach alles achtlos vor der Haustuere entsorgt wird. Die Leute koennen mit dem "modernen" Abfall, den es frueher noch nicht gab, ueberhaupt nicht umgehen. Viele entlegene Doerfer wirken, als ob kaum mehr Leute hier wohnen wuerden. Vermutlich zieht es viele in die Stadt, wo sie sich eine bessere Zukunft erhoffen.

 

Ueberall, wo wir vorbeikommen, freuen sich die Leute, dass wir Esel dabeihaben und so unterwegs sind wie sie auch. In einigen Doerfern, wo ab und zu Touristen vorbeikommen, rennen die Kinder auf uns zu und wollen uns selbstgemachte Tuecher, gehaekelte Taeschchen und Ketten verkaufen. Wir haben ein ungutes Gefuehl und wuenschten uns, sie wuerden uns statt dem fuer uns unnuetzen Zeug lieber etwas Brot oder einen Tee verkaufen.

 

"little India" – das etwas andere Dorf

Die Doerfer, die wir passieren, sind sich alle sehr aehnlich. Bis auf Al Houteib, das sich krass von den andern absetzt. Es wird von Ismailis bewohnt, einer islamischen Gruppierung. Ihre Anhaenger leben unter anderem in Indien, Saudi-Arabien, Syrien und eben Jemen. In Al Houteib wohnen vorwiegend Inder, die ziemlich eigenartig und altmodisch angezogen sind. Die Frauen tragen pastellfarbene, mit Bluemchen bestickte Roecke und lange, haeubchenartige Kopftuecher. Alles wirkt auf uns sehr sektenartig. Das Dorf ist ein Pilgerort mit dem Grab eines Scheichs, das jaehrlich Hunderte von Indern anlockt. Ein reicher Maezen bezahlt das Ganze und laesst mitten in die Berge riesige Tempel, Haeuser aus Marmor und sprudelnde Wasserspiele bauen. Der Kontrast ist riesig: Hier ist alles geschleckt sauber und stinkreich, was richtig surreal wirkt neben den anderen Doerfern. Interessanterweise fuehlen nicht nur wir, sondern auch die Esel sich sichtlich unwohl. Sie taenzeln nervoes herum und nerven sich ab den herausgeputzten Kindern, die kichern und schreien als ob sie noch nie einen Esel aus der Naehe gesehen haetten. Haben sie wahrscheinlich auch nicht. Schnell weg von hier...

 

Stoerrische Esel

Die Behauptung, Esel seien stoerrisch, koennen wir nicht bejahen. Wir sind erstaunt, wie lieb und brav sie sind, und wie trittsicher sie uns die steilsten Pfade rauf und runter folgen. Alles in allem ist der Umgang mit ihnen viel einfacher als mit den mongolischen Pferden. Sie treten und beissen nicht, und sie sind so klein, dass das Gepaeckaufladen ganz leicht geht. Nur ein kleines Problem haben wir: Der weisse Esel ist nicht kastriert und schreit unterwegs jedem Kumpanen in Sicht- und Riechweite nach. Das geht so: Er oeffnet den Mund, atmet ein paarmal laut ein und aus, und wenn man schon glaubt, er sei kurz vor dem Ersticken, dann soundet er los: Ah-iiiahiiiiiah-iiiiiih! Haelt man ihn dann nicht ganz kurz, rennt er los (und Migg beim ersten Mal hinterher). Auch reiten lassen will er sich partout nicht, was Migg eine Schramme an der Hand sowie an der Hose beschert…

 

Unterschiedliche Ansichten und Wege

Unterwegs schlafen wir in Steinhuetten, die ueberall in der Landschaft stehen. Sie sind nicht, wie zuerst angenommen, ein Unterstand fuer die Leute, die auf den Feldern arbeiten, sondern fuer die Schafe und Ziegen gedacht. Es riecht zwar ein bisschen nach Stall (und wir am Morgen auch), doch Wind und Regen werden prima abgehalten. Unser Zelt ueberlassen wir Mohammed und Nabil. Doch Mohammed ist sich als Stadtmensch sowas nicht gewoehnt. Nach der dritten Nacht im Zelt ist sein Gesicht nach dem Aufstehen schmerzverzerrt und erinnert an einen kleinen verwoehnten Jungen. Der Boden sei so hart, er habe rueckenweh, und eine Dusche moechte er auch wiedereinmal nehmen. Fuer ihn heisst Trekking normalerweise, dass die Leute wandern und er mit Auto und Gepaeck zum Schlafplatz faehrt und dort auf sie wartet. Wir dachten jedoch, dass es schoen sei, ihn als Freund dabei zu haben und dass ihn diese traditionelle Form des Reises auch begeistern moege.

 

Die Wanderung ist fuer unsere Begriffe nicht wirklich anstrengend, doch Mohammed hat nach kurzer Zeit genug und ruft immer oefter nach Pausen. Ueber Mittag will er eine immer ausgedehntere Siesta machen. Den Eseln zuliebe ist es aus unserer Sicht besser, nur kurz zu rasten und dafuer am Abend zeitig anzukommen. Doch die Esel scheinen hier keine Rolle zu spielen. Mohammed und Nabil brauchen ihre Qat-Pause. Wir machen die gesamte Tierbetreuung, laden das Gepaeck auf und ab, sorgen dafuer, dass die Esel ordentlich angebunden sind und genug zu fressen haben. Wir suchen sogar die Schlafplaetze selber, da das, was sie vorschlagen, meist nicht sehr idyllisch ist. Wir bringen auch das ganze Equipment mit und kochen jeden Abend. Zum Eclat kommt es, als das Brot alle ist. Mohammed will, dass Nabil per Anhalter zurueck ins Staedtchen faehrt, um neues zu kaufen. "Kommt nicht in Frage", sagen wir zu ihm. "Wir haben extra gemeinsam Mehl eingekauft und backen unser eigenes Brot oder kaufen welches von den Bewohnern der Doerfer, die wir passieren". Das passt ihm zwar nicht, doch schliesslich gibt er nach. Am anderen Tag kaufen wir in einem Dorf Wasser. Mohammed besorgt sich in einem anderen Laden sein eigenes Wasser. Als wir ihn darauf ansprechen, meint er, das Wasser, das wir gekauft haetten, sei seit fuenf Tagen abgelaufen, das wuerde er nicht mehr trinken. Das Ablaufdatum ist nur in arabisch aufgedruckt, so dass wir es nicht lesen konnten. Und ueberhaupt...

 

Am zweitletzten Tag fragen wir ihn, ob er lieber schon frueher ins Hotel zurueckwolle oder nicht. Daraufhin erwidert er, dass, wenn es fuer uns kein Problem sei, er lieber zurueck in die Zivilisation moechte. Er packt seinen Koffer und unsere Wege trennen sich im Verlauf des Tages. Die verbleibenden zwei Tage mit Nabil verlaufen sehr gemuetlich und in lockerer Atmosphaere. Im Gespraech mit ihm kristallisiert sich heraus, dass eine gewisse Diskrepanz zwischen den Land- und Stadtmenschen existiert. Die Leute aus der Stadt empfinden sich selbst als fortschrittlicher und meist sogar als etwas besseres. Doch in welchem Land ist das nicht der Fall?

 

Mit 100 durchs Wadi

Zurueck im Hotel entschliessen wir uns nach einem Gespraech, trotz der Differenzen gemeinsam weiterzuziehen. Am naechsten Morgen geht's also per Auto weiter. Wir fahren durch ein fruchtbares Wadi, ein Flusstal, das Wasser fuehrt, wenn es einige Tage geregnet hat. Es kommt uns vor wie ein Paradiesgarten: Hier gedeihen Mangos, Papayas, Bananen, Kaffee und Dattelpalmen. An den Boeschungen krallen sich rosa bluehende Flaschenbaeume (Adenium obesium) fest. Es sind skurrile Gestalten mit verdickter Stammbasis und krummen Aesten. An einem steinernen Ziehbrunnen stehen verschleierte Frauen, die ihre Esel mit Wasserkanistern beladen. Immer wieder fliegen blau- und gelbschillernde Voegel vorbei. Mohammed faehrt so schnell es ihm die holperige Piste erlaubt. Viel zu schnell fuer unsere Begriffe. Wir wollen anhalten, um uns etwas umzusehen und Fotos zu machen. Mohammed sieht das anders. Als wir zum zweiten Mal um eine Pause bitten, wird es ihm zuviel. Sein Motor sei heiss, er koenne nur ganz kurz anhalten, wir sollten uns beeilen, meint er, und sagt dann unfreundlich: "What do you want here?! There is nothing to see!"

 

Mit ungutem Gefuehl im Magen fahren wir weiter unserem Tagesziel entgegen. Gerde noch rechtzeitig kommen wir Mittags an, sodass der Qat-Markt noch nicht geschlossen hat... dem wahrscheinlich eigentlichen Grund der eiligen Waditour. Als das Hotel im Dorf ausgebucht ist, meint Mohammed, wir koennten es auch noch beim zweiten, jedoch fuer seine Begriffe sehr schmuddeligen Hotel versuchen oder weiter ins naechstgroessere Dorf fahren. Dazu meint er, dass wir dann aber fuer zwei Tage bezahlen muessten, also plus 50 Dollar... wohl bemerkt fuer eine Strecke von zirka 30 Kilometern. Das Taxi dorthin kostet ungefaehr 2 Dollar. Sein Kommerzgedanke laesst uns den Kragen platzen, sodass wir uns entscheiden, alleine weiterzureisen. Er will mit uns zur Polizeistation von Al Mahweet, damit er beim Militaerposten keine Probleme bekommt, wenn er ohne uns zurueckkehrt. Dort herrscht eine ganz eigene Atmosphaere. Unten in der baufaelligen Eingangshalle liegen auf einer Matratze ein paar qatkauende Typen. Wir werden im Obergeschoss in ein Buero gefuehrt, das ausser einem klapprigen Tisch und einem Metallschrank leer ist. Bald fuellt es sich, bis das ganze Personal neugierig im Zimmer herumsteht. Es folgt eine Diskussion, und die Polizisten befinden, wir muessten mit Mohammed zurueckfahren. Wir bleiben anstaendig und sagen, wir moechten die Deutsche Botschaft anrufen. Und ploetzlich ist es kein Thema mehr, natuerlich duerfen wir alleine reisen, alles kein Problem. Mohammed sagt erbost zu uns: "Really, this the first time, I never see tourists like you!" Dies ist sein letzter Satz, dann steigt er ins Auto, drueckt aufs Gas und ist weg.

 

Unser Fazit

Die Fahrer im Jemen sind sich gewohnt, dass sie den kompletten Tagesablauf selber bestimmen und den Touristen sagen, wann sie aussteigen sollen um ein Foto zu schiessen. Im weiteren definieren sie auch die Ankunfts- und Abfahrtszeit, wann und wo gegessen und geschlafen wird.

 

Dass sich unsere Vorstellungen von Reisen durch den Jemen nicht mit jenen von Mohammed decken, liegt unserer Meinung nach nicht an seiner Person, sondern mehr an der Entwicklung des Tourismus im Lande. Haetten wir ihn also in einem anderen Umfeld getroffen, waeren wir wahrscheinlich als Freunde auseinandergegangen. Im Hinblick auf den Tourismus wird sich wohl noch einiges veraendern, je mehr Individualreisende zu Besuch kommen werden.

 

Zur Vermeidung von Komplikationen raten wir, ein Auto mit Fahrer fuer einen bestimmten Zeitraum mit definierter Anzahl Kilometer pro Tag zu buchen. Dies laesst einem den Spielraum, die Route nach den eigenen Beduerfnissen zu gestalten und spontan zu aendern.

 




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Last update:  02:17 28/02 2007