| Schiffsgeschichten
Inhalt
Klar zum Ablegen
Rock’n Roll auf hoher See
Auf dem richtigen Kurs
Kabelsalat und Gemuesecurry
Nach der Arbeit das Vergnuegen
Glitzerndes Sternenmeer
Delphin-Schau
Frische Fische
Wenn die See krank macht
Auf der sicheren Seite
Piraten
Seglerlatein
"Kublai's Kahn II" als "Arche Noah"
Das Leben im Hafen
Big Brother auf dem Wasser
Blick hinter die Kulissen
Klar zum Ablegen
"Setzt die Segel und lichtet den Anker, euer Mast steht fest wie ein Baum. Unsere Wuensche auf euere Reise, traeum nicht dein Leben sondern lebe deinen Traum..." |
|
An Deck ist ueber die Lautsprecher der Dschunkensong zu hoeren. Ein Zeichen dafuer, dass "Kublai’s Kahn II" den geschuetzten Hafen in Kuerze verlaesst und hinaus ins weite Meer zieht. Mit einer handbetriebenen Winde wird der schwere Anker Stueck fuer Stueck nach oben gezogen. Wie es sich fuer ein Traditionsschiff gehoert, ist dies eine schweisstreibende Arbeit, die einem den Gang ins Fitness-Center erspart und den Bierbauch zum Verschwinden bringt (wenigstens ansatzweise). Die Reise kann losgehen!
Komponiert wurde der Dschunkensong uebrigens vom Saalfelder Didi Bujack, einem Freund von Axel und Peter. Eine Hoerprobe findet ihr unter www.didiplay.de unter "Musik". Rock’n Roll auf hoher See
Unsere Seetuechtigkeit wird bereits in der zweiten Nacht an Bord auf Probe gestellt. Im Mannschaftsraum rollen Tomaten und Orangen ueber den Fussboden hin und her. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, ist laengst nicht mehr an seinem urspruenglichen Platz. "Kublai’s Kahn II" rockt und schaukelt. Immer wieder schwappt eine besonders vorwitzige Welle kraftvoll ueber das Deck. In den Masten knarrt und knorzt es unheimlich. Hoffentlich vermag der zweite Mast, der krumm ist wie eine Banane, dem Druck standzuhalten. Der Wind hat in den letzten Stunden aufgefrischt, das Meer ist sehr unruhig. Wir muessen den Kurs aendern, damit die Wellen nicht seitlich an den Rumpf schlagen, sondern von vorne kommen. Es ist, als ob uns das Meer gleich zu Beginn den noetigen Respekt einfloessen wollte. Und das mit Erfolg. Laengst haben wir alle unsere Schwimmwesten angezogen, und keiner darf sich mehr unten in den Kabinen aufhalten. Am naechsten Morgen ist der Spuk vorbei. Die Sonne scheint, das Meer glitzert. Einzig die fliegenden Fische, die tot unter dem Tisch liegen, erinnern an die unruhige Nacht. Auf dem richtigen Kurs
Heute wollen sich Wind und Wellen nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen, und es ist besonders schwierig, "Kublai's Kahn II" auf Kurs zu halten. Das Steuern wird zur Kurbelarbeit, auch fuer besonders Geuebte! Das Steuerrad befindet sich auf dem Oberdeck, ein echt stolzes Holzteil mit bestimmt einem Meter Durchmesser, das aussieht wie aus einem alten Piratenfilm.
Die Kursbestimmung erfolgt mittels Seekarte, Lineal und Zirkel. Das GPS liefert die aktuelle Position in Laengen- und Breitengrad.Generell wird der zu steuernde Kurs anhand des Kompasses ueberwacht. In klaren Naechten dienen die Sterne als Navigationshilfe. Es ist wunderbar, nachts die Sterne zu beobachten, total ohne Fremdlichter. Zu sehen sind verschiedenste Sternbilder wie "das Kreuz des Suedens", "der grosse Wagen" (der auf dem Kopf steht), "Orion", und viele mehr... fuer einen Astronomen das reinste Paradies. Beim Steuern nach den Sternen ist allerdings darauf zu achten, dass sich diese durch die Rotation der Erde ueber den Himmel zu bewegen scheinen. Das heisst mit anderen Worten, dass man nur fuer einen bestimmten Zeitraum in Richtung eines Sternbildes steuern kann und sich dann neu ausrichten muss.
Oftmals, speziell nachts, wenn man alleine am Steuer steht und um sich herum nur das Rauschen des Meeres hoert, kommt es einem vor, als waere man mit einer Zeitmaschine zurueck in die Vergangenheit versetzt worden: "Kublai's Kahn II", eines der gefuerchtesten Piratenschiffe der Ozeane, am Steuer der maechtige, einbeinige Captain Migg mit Augenklappe. Vor uns schwimmt eine Meerjungfrau, die mit ausgestrecktem Arm in die Richtung zeigt, wo die einsame Insel liegt, auf welcher der groesste Schatz aller Zeiten verborgen liegt.
Und wenn Migg nicht gerade von den Meerjungfrauen traeumt, hoert er sich waehrend des Steuerns ein von Ali ausgeliehenes Hoerspiel an und reist mit Arthur Dent "per Anhalter durch die Galaxis".
Auf Kollisionskurs
In der Ferne taucht im Dunkel der Nacht unvermittelt ein weisses Licht auf. Mit Hilfe des Fernglases erkennt Tim, der gerade Wache hat, weitere Lichter. "Das muss ein Frachter sein", meint er. Er scheint parallel zu uns in die gleiche Richtung zu fahren. Minuten vergehen, die Lichter werden immer groesser. "Der steuert ja direkt auf uns zu", ruft Tim. "Er befindet sich auf Kollisionskurs mit uns". Die Frachter bewegen sich sehr schnell, er ist mit schaetzungsweise 20 Knoten unterwegs (1 Knoten = 1 Seemeile = 1,852 km/h). "Kublai's Kahn II" scheint in seinem Radar nicht zu erscheinen. Ob unser Radarreflektor wohl etwas zu klein geraten ist? Auch unsere Navigationslichter scheint er nicht zu sehen und haelt weiter Kurs auf uns. Wir werden nervoes und versuchen, den Captain des Schiffes ueber Funk auf Kanal 16 (Notruf-Kanal) zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass wir unter vollen Segeln sind und nicht so einfach ausweichen koennen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen meldet sich endlich ein Mann auf Englisch mit russischem Akzent: "What is your exact position and which direction do you go?" "Our Position is 20˚ 07' 42'' North and 63˚ 15' 19'' East, our course is 290 degrees. We are a four mast sailing vessel...", antwortet Migg. Im selben Moment leuchtet Sylvia mit einem zusaetzlichen Scheinwerfer in seine Richtung und versucht, auf uns aufmerksam zu machen. Der Russe meint: "Before, you chad no lights my friend", wir erwidern, dass dem nicht so sei, unsere Lichter jedoch etwas schwach seien. "Ok, can you pass my ass?" Wiederum erklaert Migg dem Captain des Frachters, dass wir die Segel gesetzt haben und demnach nur beschraenkt manoevrierfaehig seien. Seine Antwort darauf: "I will give way, no worries!" Fuer einmal haben wir es geschafft, doch wie man sieht, darf die Wichtigkeit des Wachmannes nicht unterschaetzt werden. Kabelsalat und Gemuesecurry
Auf einem Holzschiff gibt es Arbeit ohne Ende, vor allem waehrend den Aufenthalten im Hafen, sei es Deck schleifen, die Segel perfektionieren, am Motor rumbasteln, oder – der beliebteste Job - die Bilge putzen (die Bilge ist die tiefste Stelle im Schiff). Doch auch unterwegs gibt es taegliche Pflichten. Rund um die Uhr muss immer jemand am Steuer stehen. Bei einer Crew von 12 Personen steuert jeder taeglich (oder naechtlich) zwei Stunden und haelt anschliessend zwei Stunden Wache. Dazu kommen die Arbeiten wie das Setzen und Bergen der Segel oder das Waessern des Decks. Ausserdem hat in der Regel jeder sein Spezialgebiet, in dem er sich frei entfalten und soviel arbeiten kann, wie er/sie will. So kuemmert sich beispielsweise Martin um die Wartung der Segel und erledigt anfallende Decksarbeiten, Tioman-Peter ist der Chef des Motors, Migg ist zustaendig fuer die Elektrik und Caroline ist in der Kueche. Und sollte mal Langeweile aufkommen, gibt es bestimmt etwas zu Spleissen. Es handelt sich dabei um eine Art Flechttechnik zur dauerhaften Verbindung zweier Seile, zum Fertigen eines Auges oder Verdrillen am Seilende. Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall. Spleissen sieht schoener aus als ein Knoten und haelt erst noch besser!
Kurzschlussgefahr
Das goldene Los hat Migg gezogen. Als Bootselektriker ist er dafuer besorgt, dass die Elektronen immer schoen fliessen und es nirgends einen Kurzschluss gibt. Schliesslich koennen wir nur bedingt auf die moderne Technik verzichten. Leichter gesagt als getan, denn die Kombination von Eletrik und Salzwasser laesst einem oftmals die Haare zu Berge stehen...
Und es kommt wie es kommen musste, eines Morgens gibt die Lichtmaschine ihren Geist auf. Kein Problem, wir haben ja schliesslich den Benzin-Generator. Halleluja, auch der will nicht mehr, wahrscheinlich ein Kolbenfresser! Fuer solche Zwecke haben wir zum Glueck einen Ersatzgenerator, die Batterien koennen also doch geladen werden. Es scheint jedoch, als ob sich Murphy als blinder Passagier irgendwo versteckt haelt. Irgendwie moechte naemlich auch das Ladegeraet nicht mehr so richtig. Da bleibt uns nichts anderes uebrig, als moeglichst sparsam mit der verleibenden Energie zu sein, bis wir im naechsten Hafen einlaufen. Denn unterwegs lassen sich Reparaturarbeiten nur bedingt ausfuehren. Zum einen fehlen meist die benoetigten Ersatzteile, zum andern schaukelt das Schiff so sehr, dass man garantiert die bereitgelegten Schrauben verliert. Im naechsten Hafen angekommen wird klar, dass eine neue Lichtmaschine her muss, die zugleich groesser und leistungsfaehiger sein soll. Der Rest wird repariert. Es ist wie verhext! Normalerweise richtet man die Elektrik ein, und alles funktioniert auf Knopfdruck. Doch nicht so auf “Kublai’s Kahn II“: Hier haelt einem die Elektrik konstant auf Trab. Doch zum Glueck hatte Migg ja seinen Stift Caroline, den er in der Gegend herumhetzen kann...
Fliegende Kochtoepfe
Caroline wird zum Smutje ernannt und ist zustaendig fuers Kochen. Zuerst zusammen mit Biga, Axels Frau, dann mit Sylvia, die von Oman bis Indien mit dabei ist. Ja, ja, die Rollenverteilung auf dem Schiff ist sehr klassisch... Selbst mit dem gelegentlichen Helfen in der Kueche ist es so eine Sache. Wenn immer die selben Personen kochen, waere es doch normal, wenn die anderen wenigstens den Tisch abraeumen und das Geschirr spuelen wuerden, oder? Auf "Kublai’s Kahn II" aber klappt dies erst nach Aufforderung, und auch dann noch fuehlen sich einige zu maennlich, um ein Geschirrtuch in die Hand zu nehmen. Wir wollen ja keine Namen nennen, aber manche waehnen sich schon als Helden, wenn sie den Knoblauch zerkleinern...
Abgesehen davon ist es fuer Caroline aber eine durchaus spassige Erfahrung, einmal fuer so viele Leute einzukaufen und zu kochen. Mit dem Taxi geht es jeweils los in die Supermaerkte, zu kleinen Kraemerlaeden und auf den lokalen Gemuese- und Fruechtemarkt. Besonders viel Gelassenheit braucht es in Indien. In einem kleinen Laden in Goa kauft Caroline ein, laesst alles in grosse Kartons packen und deponiert das Ganze fuer einige Stunden bei der Kasse, um unterdessen auf dem Markt weitere Einkaeufe zu erledigen. Sie kommt zurueck, um zu bezahlen und alles abzuholen, doch der Platz vor der Kasse ist leer. "Ach, da sind sie ja doch wieder", sagt die Verkaeuferin, "wir dachten, sie kaemen nicht mehr und haben alles wieder zurueck ins Regal gelegt!" Also alles noch einmal von vorne... Nach der Arbeit das Vergnuegen
Waehrend bei den Hafen-Aufenthalten immer emsig gearbeitet wird, bleibt unterwegs auch Zeit zum Ausspannen. Zu unserer Lieblingsbeschaeftigung gehoert das gemuetliche Rumhaengen auf dem Oberdeck zu lauten Rammstein-Klaengen wie "Reise, Reise, Seemannreise, jeder tut’s auf seine Weise..." Die umfangreiche Bordbibliothek bietet alles vom Fachbuch ueber den Segelroman bis hin zu Dieter Bohlen’s "Nichts als die Wahrheit", das seinen Platz auf dem Klo hat. Buecher, die wir euch waermstens Empfehlen koennen sind unter anderem: "Weite Meere, Inseln und Lagunen" von Bernard Moitessier, ein Erfahrungsbericht mit vielen Erlaeuterungen sowie fuer Segler nuetzliche Tipps und Tricks. "Der verschenkte Sieg" von Bernard Moitessier, die spannende Story einer Einhand-Segelregatta um die Welt. "Tagedieb und Taugenichts" von Hugo Wehner, eine abenteuerliche Geschichte eines Segeltrips. "Die Erfahrung der Welt" von Nicolas Bouvier, eine poetische Beschreibung seiner Reise im Topolino von der Schweiz durch Griechenland, die Tuerkei, Iran, Afghanistan, Pakistan. Abends wird oftmals gespielt, oder aber wir stimmen uns mit der Schischa (Wassepfeife) auf die Ankunft auf der Arabischen Halbinsel ein.
Hier spricht "dl5axi"
Einer ganz speziellen Freizeit-Beschaeftigung gehen Herbert und Tom nach, die von Indien nach Oman mit dabei sind. Die beiden Amateurfunker mit den Namen "dl5axi" (sprich delta-lima-five-alpha-xray-india) und "dl5ari" (sprich delta-lima-five-alpha-romeo-india) haben ueber ihre diversen Geraetchen und mittels einer Antenne, die sie an den Mast hochhaengen, Kontakte mit aller Welt. Sie morsen und reden mit ihren Gespraechspartnern und stoeren auch ab und zu mal den Verstaerker der Musikanlage oder legen den Alarm des Oeldrucks lahm. Da sie aber so nette Kerle sind, ist dies natuerlich kein Problem. Sogar ein Navy-Schiff vor Oman scheint ueber die Funkerei ein wenig in Nervositaet zu geraten und kommt verdaechtig nahe, bis die beiden den Mithoerern indirekte Informationen ueber das Projekt liefern.
Ab ins Wasser
Gibt es einen schoeneren Badeplatz als mitten im Ozean, weit und breit nichts als klares, tiefblaues Wasser? Ab und zu halten wir das Schiff an und springen ins kuehle Nass. Manche koennen kaum genug kriegen vom Hereinspringen, andere lassen sich geniesserisch im Wasser treiben. Bei unserem ersten Badestopp am 24. Dezember meint Peter: "So, jetzt zeig ich euch Mal wie man Weihnachten feiert!" Er zieht sich die Schwimmweste ueber, springt ins Wasser und oeffnet friedlich sein Bier. Jedem das seine... Glitzerndes Sternenmeer
Hups, ist da nicht ein Windhauch zu spueren? Oder ist es nur der Fahrtwind? Wir messen die Windstaerke: eine konstante Drei. Zwar nicht gerade viel, aber hoechste Zeit, um die Segel zu setzen und dem Motor und unseren Ohren eine Ruhepause zu goennen. Wir fangen an mit der Fock, gehen weiter zum Gross- und dann zum Hauptsegel. Der Wind blaest in die Segel und treibt uns voran, wenn auch nur langsam. Wir geniessen die Stille und erfreuen uns am Rauschen des Meeres. "Kublai’s Kahn II" laesst sich, durch die Segel stabilisiert, relativ einfach auf Kurs halten. Zeit also, um gemuetlich zu entspannen. Langsam wird es Abend, die Sonne ist vor ungefaehr einer halben Stunde hinter dem Horizont verschwunden. Die ersten Sterne spiegeln sich im Wasser. Der Wind wird schwaecher und schwaecher, die Wellen immer kleiner. Bis das Meer schliesslich spiegelglatt ist. Sowas gibt es doch nicht! Die Segel fangen an zu schlagen, da der Druck des Windes komplett nachgelassen hat. Sie muessen schleunigst wieder runter.
Doch wie soll es weitergehen? Wollen wir wirklich unter Motor weiterfahren? Wir entschliessen uns, auf erneuten Wind zu warten. Wir haben ja Zeit. So duempeln wir die ganze Nacht mitten im Arabischen Meer, das heute so ruhig ist wie ein Ententeich. Das Wasser ist wie verzaubert. Ums Schiff herum glitzern einzelne Punkte wie Sterne. Wir haben dieses Schauspiel schon oft gesehen, doch heute ist es besonders eindruecklich. Es glitzert so verfuehrerisch, das wir uns zu einem Mitternachtsbad hinreissen lassen. Wenn jemand ins Wasser springt, breitet sich eine glitzernde Welle aus, und steigt man aufs Boot zurueck, leuchten die Punkte auf dem Koerper weiter. Das wundersame Geschehen nennt sich auch Meeresleuchten, und es handelt sich dabei um leuchtende Kleinstlebewesen, die Energie in Form von Licht abgeben. Die mikroskopisch kleinen Teilchen leben tagsueber im tiefen Wasser und steigen erst nach Sonnenuntergang auf. Schon die geringste Wasserbewegung loest die Leuchterscheinungen aus.
Als wir am anderen Morgen unsere Position ueberpruefen, stellen wir fest, dass wir in der ganzen Nacht nicht mehr als vielleicht drei Seemeilen (1 Seemeile = 1,852 km) getrieben sind. Die Inder, die wir immer auslachten, wenn sie uns fragten, ob wir jeweils ueber Nacht anhalten wuerden, haben also doch irgendwie recht bekommen... Delphin-Schau
Der Steuermann klingelt: "Da! Schaut, Delphine!" Alle kommen nach und nach an Deck, um die schoenen Tiere zu beobachten, die unser Schiff ab und zu begleiten. Doch was wir heute sehen, schlaegt alles. Wo wir hinschauen, ueberall ist das Wasser bewegt von den springenden und tauchenden Delphinen. Wir sind mitten in einer unglaublich riesigen Gruppe. Es muessen Hunderte sein! Verspielt springen sie in die Hoehe, synchron zu zweit, zu dritt oder sogar zu fuenft. Schaut man vom Bug aus zwischen den Holzbalken hinunter ins Wasser, sind sie so nah, dass wir deutlich ihre hohen Piepslaute hoeren. Der Anblick ist so unbeschreiblich schoen, dass wir diesen Moment fuer immer in Erinnerung behalten werden.
Immer wieder gibt es solche Hoehepunkte, wie etwa im Oman, als wir nahe der Kueste einen Wal entdecken, der eine hohe Wasserfontaene sprueht und dessen breite Schwanzflosse ganz deutlich zu sehen ist, bevor er abtaucht. Frische Fische
"Ein Fisch, ein Fisch! Martin, komm schnell, ich glaub da ist einer dran", schreit Haris. "Au ja, da ist ein enormer Druck auf der Angelleine, dass muss ein riesiger Brocken sein", antwortet Martin. Im selben Moment drosselt der Steuermann die Fahrtgeschwindigkeit, damit die Schleppleine etwas einfacher eingezogen werden kann. Jetzt eilt auch Glocke herbei, um beim Hereinziehen behilflich zu sein: "Seid aber ja vorsichtig, diesmal wollen wir unsere Beute nicht wieder ungewollt freilassen". Haris, unser Fischerprofi, zieht behutsam die Angelleine Stueck fuer Stueck rein, waehrendem Martin und Glocke mit Handschuhen bewaffnet unten bei offener Heckluke bereitstehen, um den Fisch hereinzuziehen. "Achtung, jetzt haben wir ihn gleich! Aber hallo, was hat der denn fuer eine seltsame Farbe? So knallig rot, kann das sein?" wundert sich Martin, "das ist kein Fisch sondern unser Kloeimer!" Auf "Kublai's Kahn II" wird die Toilette noch manuell gespuelt, indem das Wasser mit einem Eimer aus dem Meer geschoepft wird. Was die anderen zu diesem Zeitpunkt nicht wissen ist, dass vor fuenf Minuten Maxim zu Migg kam und beichtete, dass er beim Wasserholen den Kloeimer verloren habe. "Weg ist weg, da kann man nichts machen. Bleibt uns nichts anderes uebrig, als einen Neuen zu basteln", antwortete Migg. Doch weit gefehlt...
Fuer heute schlemmen wir den Fisch nur in unserer Fantasie. Dem ist aber nicht immer so: Der stolzeste Fang ist ein Kingfish mit einer Laenge von 1.26 Meter! Da laeuft uns beim blossen Anblick schon das Wasser im Mund zusammen. Fuer sage und schreibe drei Tage ernaehrt sich die ganze Crew von der schmackhaften Beute. Auch fette Thunfische und Goldmakrelen lassen sich immer wieder von unserem Koeder bezirzen, der jeweils an einer Schleppleine befestigt hinter uns herschwimmt. Ob als Suppe zubereitet, gebraten oder fritiert, Haris weiss immer, wie er aus jedem Fisch ein Festmahl kreieren kann. Lecker! Fuer Caroline eine super Gelegenheit zu lernen, wie man Fisch auf verschiedenste Art und Weise zubereiten kann. Bleibt nur zu hoffen, dass bis zu unserer Rueckkehr das Gelernte nicht vergessen geht!
Vor Anker kommt die Handfischerrute zum Zuge
"Kublai's Kahn II" ankert vor einen schoenen Bucht an der Kueste Omans. Der steinige Meeresgrund liegt ungefaehr zehn Meter unter dem Wasserspiegel, laut dem Echolot ein perfektes Tummelfeld fuer zahlreiche Fische. Auch Caroline versucht ihr Glueck und angelt zusammen mit Haris und Martin, waehrenddem die anderen lesen oder spielen. "Hey, ich glaub da ist einer dran, und wie der erst zieht!" Wie ein routinierter Profi zieht sie den Fisch fast alleine aufs Boot und siehe da, da hat doch tatsaechlich ein Hai angebissen. Da koennen wir direkt von Glueck reden, dass er die Caroline nicht gleich mit in die Tiefe gezogen hat... was zwar ein bisschen uebertrieben ist, denn es handelt sich um einen echt suessen Babyhai!
In kuerzester Zeit stehen alle mit ihren Fotoapparaten bewaffnet auf dem Deck, um dieses Ereignis festzuhalten. Einen Hai zu fangen, das war eigentlich schon zu Beginn klar, ist ungefaehr die Kroenung eines jeden Fischers. Und hier ist er jetzt also, aber beeilt euch mit fotografieren, schliesslich wollen wir ihn ja wieder zurueck in die Freiheit lassen. Seine Haut ist nicht wie erwartet glitschig und glatt, sondern rauh wie ein feines Schmirgelpapier. Zugegeben, waere er ein paar Jahre aelter gewesen, haetten wir ihn bestimmt in die Pfanne gehauen. Vorsichtig wird der Angelhaken aus dem Mund des Hais entfernt und unser neue Freund macht einen Kopfsprung zurueck ins Wasser. Elegant bewegt er seine Schwanzflosse und taucht hinab in die Dunkelheit.
Die Moral des Fischetoetens
Haris zieht mit seiner Handfischerrute wiedermal einen Fisch aufs Deck und laesst ihn dort liegen, was fuer uns einem brutalen Tod gleichkommt. Um dem Fisch die Leiden des langsamen Sterbens zu ersparen fordert Migg, diesen mit einem Beil ueber den Kopf zu erschlagen. Daraufhin antwortet Haris: "Warum, wenn wir ihn so belassen, dann bleibt er laenger frisch. Und was denkst du macht der Berufsfischer, der 1000 Fische auf einmal rauszieht? Glaubst du wirklich, er nimmt sich die Zeit um jeden Fisch einzeln zu erloesen?" Stimmt eigentlich, und trotzdem laesst es unsere "Ethik" nicht zu, die selbstgefangen Fische einfach so langsam verenden zu lassen. Wenn die See krank macht
Die Seekrankheit schlaegt auf dem Schiff immer wieder zu. Die Crew ist ganz unterschiedlich stark davon betroffen und jeder geht anders mit dem Problem um. Die einen kotzen erst dann, wenn’s richtig abgeht und sie in Bugnaehe, wo es besonders stark schaukelt, am Arbeiten sind, die anderen fuettern schon bei kleinen Wellen die Fische. Wir gehoeren zu jenen, die praktisch gar nichts merken ausser ab und zu einem komischen Gefuehl im Bauch. Migg muss einmal kotzen, danach geht es ihm wieder gut. Allerdings haben wir auch keinen richtig deftigen Sturm erlebt. Haris sagt einmal zu Caroline: "Es ist irgendwie unfair. Du kommst aus der Schweiz, wo es nicht einmal ein Meer gibt, und ich, praktisch auf dem Meer aufgewachsen, werde seekrank und du nicht!" Die Seekrankheit ist etwas sehr unberechenbares, der selbst erfahrene Seemaenner nicht unbedingt gefeit sind. Durch das Schaukeln des Schiffes wird der Gleichgewichtssinn im Innenohr laufend angeregt, doch das Auge kann die Bewegungen nicht bestaetigen. Bei den meisten Leuten sind die Symptome nach zwei bis drei Tagen weg. Bestimmt spielt auch die Psyche eine nicht unbedeutende Rolle. Wer sich aufgibt und denkt, er werde gleich krank, der wird es auch.
Verschiedene Untersuchungen belegen, dass ein hoher Histaminspiegel im Blut die Seekrankheit beguenstigt. Dieser Stoff ist beispielsweise in Tomaten, Salami oder Rotwein enthalten. Wieder andere meinen, viel Vitamin C sei gut (es hilft mit, den Histaminspiegel abzubauen). Also Zwiebeln und Orangen essen! Auch mit Homoeopathie koenne man einiges machen, erzaehlt Sylvia. Sie probiert es mit Olga aus, doch ohne Erfolg. Es hat sie so stark erwischt, dass sie nur noch tagelang kotzt und irgendwann einfach nicht mehr kann. Hier hilft nur noch staerkere Medizin, die wir fuer solche Situationen an Bord haben. Sie macht allerdings sehr muede, und wer aktiv mitarbeitet auf dem Schiff, darf sie nur in Absprache mit dem Skipper nehmen. Auf der sicheren Seite
Mann ueber Bord... Mann ueber Bord...! Was wuerde man(n) wohl rufen, wenn es eine Frau ist? Der Steuermann laesst das Signalhorn ertoenen. Von jetzt an zaehlt jede Minute, gefordert ist hoechste Konzentration sowie ein sicheres und ueberlegtes Handeln, auch wenn es sich heute nur um eine Uebung handelt. Schnell rennt Caroline in den Mannschaftsraum, um die MOB-Taste (Man over Bord) am GPS zu druecken. Bei schlechter Sicht die einzige Hilfe, um den Ort zu lokalisieren, wo die Person ueber Bord gefallen ist. In der Zwischenzeit haben Ali, Jan und Haris die Rettungsringe hinterher geschmissen. Der Rest der Crew steht auf dem Oberdeck und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf den orangen Punkt im Wasser. Souveraen wird "Kublai's Kahn II" von Martin nach den Kommandos von Glocke aufgestoppt, gewendet und gegen den Wind auf das schwimmende Objekt im Wasser gesteuert. Mit einem Bootshaken ziehen wir das verlorene Stueck aus dem kalten Nass. Da haben wir noch einmal Schwein gehabt, in unserem Fall musste nur eine Schwimmweste und kein Mensch geborgen werden.
Bei strahlendem Sonnenschein, ruhiger See und unter Motor war diese Uebungsaktion ein Kinderspiel. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr hoch, dass ein Ernstfall nachts bei schlechtem Wetter, rauher See und unter Segeln eintritt. Generell gilt die Devise: Geht jemand ueber Bord, so ist er verloren! Die Chancen fuer eine Rettung sehen meistens relativ duester aus. Alles klar, Vorbeugung bedeutet hier mehr als nur die halbe Miete. Ohne Sicherheitsgurten und Schwimmweste darf also bei etwas staerkerem Seegang nie ein Segel rauf oder runter gezogen werden. Da sind wir alle froh, dass dies in Praxis immer und ueberall der Fall ist... Eigentlich sollte nie jemand ueber die Reling pinkeln, ohne dass jemand Bescheid weiss. Die meisten Menschen fallen naemlich waehrend der Verrichtung ihres taeglichen Geschaeftes ins Wasser.
Das Leben auf dem Wasser ist aber nicht mehr oder weniger gefaehrlich als an Land, solange ein paar Regeln punkto Sicherheit eingehalten werden. So werden vor dem Ablegen beispielsweise immer saemtliche Wasserpumpen auf ihre hundertprozentige Funktionstuechtigkeit ueberprueft. Wie heisst es im Buch ueber das Leben als Schiffbruechiger, das Herbert mitgebracht hat: "Verlass das Schiff nur dann, wenn es wirklich untergeht und auch dann erst im letzten Moment!"
Natuerlich fehlen auch auf einem Holzschiff wie "Kublai's Kahn II" die Rettungsinseln nicht. Obwohl die beiden weissen zylinderfoermigen Behaelter haesslich aussehen und so ziemlich jedes Foto vom Deck verunstalten. Keine Sorge, auf die modernen Technologien wird auch bei einem traditionellen Schiff nicht verzichtet... natuerlich findet man unter anderem auch Sicherheitselemente wie ein "Epirb" (Notsende-Boje), ein Satellitentelefon und ein GPS. Die Zeiten des Sextanten sind definitiv vorbei!
Es brennt, es brennt!
Wo viel Holz ist, ist auch das Feuer nicht weit! Sieht sie nicht schoen aus, die Kerosen-Lampe? Wie in alten Zeiten verwenden wir, zumindest zeitweise, ein Ankerlicht ohne Elektrik. Doch das Ganze ist nicht ungefaehrlich, speziell das Anzuenden ist eine Wissenschaft fuer sich, die nur Haris beherrscht. An einem Seil befestigt wird die Lampe entlang dem dritten Mast hochgezogen. Eines Abends, wir feiern gerade die Abschiedsparty in Thailand, scheint es mit der Befestigung nicht ganz das Wahre gewesen zu sein. Wie eine Sternschnuppe vom Himmel faellt die Lampe runter aufs hoelzerne Deck. Im nu breitet sich ein teppichartiges Feuer ueber dem Boden aus. Schnell, ein Feuerloescher muss her! Doch wo sind diese? Bevor der erste zur Stelle ist, gelingt es Haris, das Feuer mit Wasser auszuloeschen. Fuer einmal sind wir noch unversehrt davon gekommen, doch diese Geschichte haette auch schlimmer ausgehen koennen! Piraten
In Thailand war die Dschunke vor unserer Ankunft Schauplatz eines Piratenfilmes. Die Filmcrew habe das Schiff mit allem Drum und Dran ausgestattet: An Deck seien Kunststoff-Kanonen gestanden, und hoch oben habe die schwarze Flagge mit dem weissen Totenkopf geweht, erzaehlt uns Martin, der damals schon an Bord war. An Deck haetten sich die Piraten getummelt, teils Schauspieler, teils Crew-Mitglieder mit schwarzer Augenbinde und Schwertern. Als dann zum ersten Mal von echten Piraten die Rede ist, sind es diese Bilder, die uns durch den Kopf gehen. Piraten im 21. Jahrhundert? Soll das ein Scherz sein? Tatsaechlich gibt es noch immer Piraterie, auch wenn sie sich heute etwas anders abspielt als frueher. Das Schwert wurde abgeloest von der Schnellfeuerwaffe, doch ansonsten geht es noch immer darum, schnell an Geld zu kommen. In bestimmten Gebieten, so zum Beispiel in den Suedphilippinen, Somalia oder eben vor dem Jemen werden Frachter ebenso angegriffen wie auch Yachten.
Die Piratenthematik loest bei uns vor dem Ablegen Richtung Jemen lange Diskussionen und bei einigen Leuten ziemlichen Respekt aus. Kein Wunder auch, haben wir doch zuvor im Internet die ausfuehrliche Story von einer ueberfallenen und beschossenen Yacht vor der Kueste Jemens gelesen. Es geht soweit, dass wir unsere Wertsachen an unzugaenglicher Stelle verstecken und im potentiell gefaehrlichen Gebiet nachts auf unsere Lichter verzichten. Doch wir sind relativ weit von der Kueste entfernt, und die Wahrscheinlichkeit, hier angegriffen zu werden, ist eigentlich relativ gering. Denn die Piraten sind mit kleinen Booten unterwegs, die normalerweise nicht soweit rausfahren. Ihre Informanten sind die Fischer, die Ausschau halten nach vorbeifahrenden Schiffen. Wir haben Glueck und kommen ohne Probleme im Hafen von Aden an. Seglerlatein
Auf einem Segelschiff wird eine ganz eigene Sprache gesprochen. Das "Seglerlatein" ist nach einigen Tagen in aller Munde, selbst Greenhorns wie wir werden bald angesteckt. Nebst technischem Koennen und Knotenkunde lernt man auch unweigerlich die dazugehoerige Seemannssprache.
Welche Sprache sprichst du?
Spricht man am Anfang noch von der linken oder rechten Seite des Bootes, so heisst es bald backbord- oder steuerbordseitg bzw. auf der luv oder lee Seite. Man laeuft auf einmal auch nicht mehr von vorne nach hinten sondern vom Bug zum Heck eines Schiffes.
Backbord, Steuerbord | Backbord – linke Seite des Schiffes Steuerbord – rechte Seite des Schiffes (vom Heck zum Bug aus betrachtet) | Luv, Lee | Luv – Seite, aus welcher der Wind weht Lee – dem Wind abgewandte Seite | Bug, Heck | Bug – vorderes Schiffsende Heck – hinteres Schiffsende |
|
Abloesen des Steuermannes
Und, wieviel Fahrt machen wir? Nun ja, die Abdrift ist heute ziemlich heftig. Ueber Grund kommen wir gerade mal dreieinhalb Knoten vorwaerts. Uebernimm du das Steuer, mal sehen ob sich da was verbessern laesst. Pass aber auf, der aktuelle Kurs ist ziemlich hoch am Wind und "Kublai's Kahn II" ist heute extem luvgierig. Ich glaube wir sollten die Schoten etwas dichter holen. Falls der Wind noch mehr auffrischt, muessen wir das erste Reff einbinden. Und dass du mir ja keine Wende faehrst! Obwohl, viel schlimmer als bei letzten Patenthalse kann es ja nicht werden, ganze zwei Bambussstangen mussten an den Segeln ersetzt werden. Du hast es selber in Hand, ob wir dich demnaechst Kielholen muessen oder nicht.
Abdrift | gerichtete Versetzung der Fahrtbewegung von Schiffen durch Wind und Stroemung | ueber Grund | effektiv gefahrener Kurs mit Einberechnung des seitlichen Abtreibens durch Stroemungen | Knoten | Geschwindigkeitsmass in der Seefahrt (1 Knoten = 1 Seemeile = 1,852 km/h) | hoch am Wind | "am Wind" ist der Kurs, bei dem der Wind schraeg von vorne blaest (mit einem Winkel zwischen Wind- und Fahrtrichtung kleiner 90°). "hoch am Wind" ist der Bereich mit dem kleinstmoeglichen Winkel (ca. 30°) | luvgierig | das Schiff dreht sich bei mittschiffs feststehendem Ruder nach Luv | Schot | Leine zur Richtungseinstellung der Segel relativ zum Wind | dicht holen | Leine bzw. Schot anziehen, das Segel naehert sich der Mittschiffsachse | Reff | Reffen bedeutet das Verkleinern der Segelflaeche | Wende | Kursaenderung, bei welcher der Bug durch den Wind gefuehrt wird. | Halse | Kursaenderung, bei welcher das Heck des Schiffes durch den Wind geht. Eine Patenthalse ist eine ungewollte Halse. | Kielholen | Durchholen unter dem Kiel (unterste Längsversteifung des Schiffes); auf alten Segelschiffen eine Strafe für den Seemann, wobei die Überlebenschance 50:50 stand. |
|
Setzen der Segel
Heute ist praechtiges Segelwetter, lass uns die Fock-, Gross- und Hauptsegel setzen. Joe, du uebernimmst den Niederholer, dann geh ich mit Tom ans Fall. Martin, achte du bitte darauf, dass der Lazy Jack nicht zu straff ist!
Fock-, Gross- und Haupt- bzw. Kreuzsegel | Bezeichnung der Masten vom Bug zum Heck des Schiffes: Fockmast (vordester Mast), Grossmast (2. Mast), Kreuz- oder Hauptmast (vorletzter Mast), Besanmast (hintester Mast) | Niederholer | Leine, die das Niederholen des vorderen oberen Segelendes erleichtert. Dient zur horizontalen Einstellung der Segel. | Fall | Seil, das vertikal entlang dem Mast fuehrt. Dient dem Hoch- und Runterziehen der Segel. | Lazy Jack | Faulenzer; Vorrichtung zwischen Mast und Baum zum Bergen und Aufnehmen der Segel |
|
"Kublai's Kahn II" als "Arche Noah"
Gschchschch! Weg da! Verpiss dich! Unsere zwei Bordkatzen werden nicht gerade verhaetschelt. Meist sind sie als Stolperfalle irgend jemandem im Weg oder werden angeschrien, weil sie schon wieder mitten in den Mannschaftsraum gekotzt haben. Sie sind nicht gerade seefest, die beiden. Kein Wunder, sind sie doch in einer kleinen Wohnung irgendwo im 150sten Stock eines Hong Konger Wolkenkratzers aufgewachen. Mei und Li (keiner scheint mit Sicherheit zu wissen, ob die rote nun Mei und die weisse Li ist oder umgekehrt) sind als Geschenk auf die Dschunke gekommen. Immer wieder geben sie Anlass fuer Streitereien. Die einen wollen sie, die anderen nicht. Sie haben ein richtiges Katzenklo, dass sie allerdings nur dann benutzen, wenn es auch sauber ist. Ist ja auch verstaendlich. Doch dazu braucht es Katzensand, und der ist nicht immer so leicht zu finden. So wird man in Indien richtiggehend ausgelacht und niemand versteht so genau, was man haben will. Was Thomas, der sich bereiterklaert hat, fuer Katzensand zu sorgen, dazu treibt, stundenlang von Baustelle zu Baustelle zu fahren, bis er endlich Sand in der passenden Konsistenz findet...
An Bord gekommen sind Mei und Li unter anderem, um die Ratten zu vertreiben. Und das ist ihnen auch gelungen, denn seit sie da sind, haben sich die grauen Nager nicht mehr an Bord getraut. So hat das alles durchaus sein Gutes.
Der Spatz auf dem Mast
Unverhofft kriegen wir mitten auf dem offenen Meer und weit weg von der Kueste Besuch: Ein kleiner Spatz kommt vorbei und setzt sich auf die Reling. Wir fuettern und traenken ihn und sind begeistert von unserem Gast. Auch die Katzen sind ganz aus dem Haeuschen, doch sie haben keine Chance, das flinke Kerlchen zu erwischen. Bestimmt bleibt der Spatz nun bei uns, bis wieder Land in Sicht ist, denken wir uns, da er sonst kaum Ueberlebenschancen hat. Doch weit gefehlt! Vorwitzig schliesst er sich eines Tages einer vorbeiziehenden Moewe an und entschwindet unseren Blicken.
Doch wir bekommen bald neue Voegel. Als wir in Sur (Oman) an Land gehen, lernen wir Khaled kennen. Er zeigt uns das Staedtchen, geht mit uns essen und will uns anschliessend unbedingt bei sich zu Hause etwas zeigen. Wir fahren also mit ihm zu seiner Familie, die in einem weiss bemalten Haeuschen wohnt. Im Innenhof steht ein riesiger Vogelkaefig, in dem es piepst und flattert. Khaleds Bruder geht gleich in den mannshohen Kaefig hinein und hat nach einigen Missgriffen einen gelben und einen gruenen Wellensittich gefangen. Khaled steckt sie in einen kleinen, blauen Kaefig, den er uns freudig hinstreckt. Die Voegel seien ein Geschenk fuer uns, meint er. All unsere Beteuerungen, wir koennten sie unmoeglich mit aufs Schiff nehmen, bleiben erfolglos. Mit Khaled, den Voegeln und etwas gemischten Gefuehlen ziehen wir los zum Hafen. Wie Peter und Axel wohl reagieren werden? So, wie Peter die Katzen "liebt", wird er bestimmt was dagegen haben, noch mehr Tiere auf seinem Schiff zu haben. Als wir auf dem Pier stehen und er die Voegel sieht, kniet sich neben dem Kaefig hin, ein breites Laecheln im Gesicht! Glueck gehabt... Auch Ali ist erfreut und stellt sich bald als geheimer Wellensittichfreund heraus.
Naechtliche Besucher
Dann sind da auch noch die Kakerlaken, die sich in allen Ritzen und Loechern verstecken. Sie sind von wenigen Millimetern klein bis zu fuenf Zentimeter gross. Vor allem Nachts erwachen sie und ziehen durch Schlafkabinen, Kueche und Mannschaftsraum. Sie koennen sich auf dem Schiff voll entfalten und haben ausser einigen Giftspray-Attacken und herunterknallenden Faeusten keine Feinde zu fuerchten. So muessen wir immer aufpassen, wo und wie wir das Essen verstauen. Was immer moeglich, wird in Netzen an der Decke aufgehaengt, denn bis dahin schaffen es die Kakerlaken normalerweise nicht. Ist man zuerst noch von einem gewissen Ekel gegenueber den Tierchen erfuellt, so wird ihre Anwesenheit bald so normal, dass sie fast schon dazugehoeren. Es sei denn, sie kriechen einem nachts uebers Gesicht... Das Leben im Hafen
Das Ankommen in einem Hafen ist immer ein schoener Moment. Man freut sich auf das Ungewisse, auf die ersten Eindruecke im neuen Land. Doch nicht immer ist es so einfach, anzukommen. Die Behoerden machen das Einlaufen zu einem komplizierten buerokratischen Stapellauf. Manchmal dauert es Stunden, bis Zoll und Immigration vorbeigeschaut haben, und bis wir an Land koennen. Die Inder machen ihrem Ruf als Oberbuerokraten alle Ehre: 15 verschiedene Blaetter muessen unterschrieben und gestempelt werden, bis alles geregelt ist. Als wir am Ende unseres Aufenthaltes ablegen wollen und uns bei den Hafenbehoerden abmelden, wollen sie uns aus verschiedenen fantasievollen Gruenden die Ausreisestempel im Pass verweigern. Erst einen Tag spaeter, nach endlosen Gespraechen und dem Geld fuer zwei explizit verlangte Flaschen Whisky ist die Sache geregelt...
Zwischen Fracht- und Kriegsschiffen
Waehrend die meisten Laender fuer Yachten und Kleinschiffe separate Marinas haben, sind wir mancherorts auch im Frachthafen einquartiert. Im Oman stehen wir verschwindend klein zwischen riesigen Frachtschiffen, die neue Autos, stinkende Schafe oder anderes bringen. Auch die amerikanische und spaeter die englische Navy ist mit je einem Kriegsschiff zu Gast, mit einer Crew aus lauter Bubigesichtern. Auch Fischerboote aller Groessen versammeln sich im Hafen. Einige Iraner versorgen uns fast taeglich mit frischem Fisch. Wir spazieren auf dem Hafengelaende herum und entdecken zwei riesige, moderne Schiffe. Ein Arbeiter erklaert uns ehrfuerchtig, sie gehoerten Sultan Qaboos. Das eine sei das Schiff seiner Minister, das andere sein persoenliches. Gleich dahinter ankert auch die koenigliche Dau, ein elegantes Segelschiff aus Holz.
Ansonsten ist das Leben im Frachthafen eher muehsam. Die hohen Kraene, welche die Container auf die Schiffe laden, sind sehr laut und piepsen Tag und Nacht, wenn sie in Aktion sind. Doch als Thomas und Caroline einmal die Gelegenheit bekommen, auf den Riesenkran zu steigen und probeweise einen Container hin- und herschippern duerfen, ist die Faszination so gross, dass ihnen das Gepiepse nachher gar nicht mehr so fest auf den Geist geht... Big Brother auf dem Wasser
Die Crew, zu der maximal zwoelf Personen gehoeren, ist ein bunter Mix verschiedener Nationalitaeten. Nebst Deutschland, Oesterreich und der Schweiz ist auch Indonesien, Brasilien, Australien, Kasachstan und Russland vertreten. Die meisten sind fuer eine bestimmte Etappe dabei, was dazu fuehrt, dass die Gesichter immer wieder wechseln und neue Kombinationen entstehen. Es ist spannend, mit so vielen verschiedenen Charakteren zusammenzuleben. Eine schwimmende Wohngemeinschaft, bei der manchmal nur noch die Big-Brother-Kamera fehlt. Wie bei der Fernsehshow gibt es auch hier keine Ausweichmoeglichkeiten. Ist das Schiff einmal auf See, muss man sich mit den Leuten arrangieren koennen.
Der eine mag Rammstein, der andere Haendel, der eine ist ein Weihnachtsmuffel, der andere mag es feierlich, der dritte ist Muslim und feiert seine eigenen Feste. Es gibt Geschichtenerzaehler und Zuhoerer, Perfektionisten und solche, die es nicht so genau nehmen, Langzeitreisende und Kurzurlauber. Die einen traeumen vom eigenen Segelschiff, die anderen vom Festland. Waehrend fuer die einen Gruppendynamik ein Graeuel ist, moechten andere am liebsten taeglich zusammensitzen und spielen. Die einen sind immer frisch geduscht, die anderen kommen schwarz von oben bis unten von der Bilge hoch. Es gibt Frauen- und andere Helden, junge Spunde und aeltere Semester, experimentierfreudige und traditionelle. Und vor allem eine Menge guter Freunde: Axel, Peter, Biga, Haris, Martin, Thomas, Peter "Tioman", Felix, Jan, Tim, Sylvia, Herbert, Tom, Maxim, Olga, Joe, Markus, Thomas "Aladdin" und Sascha – es freut uns, euch alle kennengelernt zu haben! Blick hinter die Kulissen
Das urspruengliche Fischerboot, eine sogenannte Pinisi aus Indonesien, wurde von Axel und Peter nach dem Vorbild einer chinesischen Dschunke umgebaut. Im folgenden die Daten von "Kublai’s Kahn II".
Rumpf | Holz | Laenge | ca. 30 Meter, je nachdem, was man alles dazunimmt | Breite | ca. 6.40 Meter | Masten | 4 Stueck, Hauptmasten 15 Meter hoch | Frischwassertanks | 4 Stueck a rund 1000 Liter | Tiefgang | 3,80 Meter | Segel | 4 Stueck, Dschunken-Rigg, ca. 300 Quadratmeter | Unterkunft | 6 Kabinen mit je zwei Kojen (dazu Dutzende von Moeglichkeiten, irgendwo seinen Schlafsack auszurollen oder die Haengematte aufzuhaengen) |
|
Mit einer wechselnden Crew segeln die beiden seit 2003 auf Marco Polos Spuren von Hong Kong nach Venedig. Bereits 2001 hatten sie das Projekt gestartet und waren auf den Spuren des weltberuehmten Handelsreisenden mit dem Fahrrad bis nach China geradelt. Der Venezianer Marco Polo (1254 -1324) war einer der ersten Europaeer, der entlang der Seidenstrasse nach China reiste und Kublai Khan, den Enkel von Chingis Khan besuchte, der damals ueber das mongolische Reich herrschte. Er stand in dessen Diensten und kehrte nach 17 Jahren - vorwiegend auf dem Wasserweg und vermutlich auf einer chinesischen Dschunke - nach Venedig zurueck. Ein kleines Wortspiel, und der perfekte Name fuer die Dschunke war gefunden: "Kublai's Kahn II", der Kahn des Kaisers…
Wie es der Name sagt, ist "Kublai’s Kahn II" nicht Axel und Peters erstes Schiff. Die beiden starteten ihr Projekt 2003 mit einer der letzten echten Hochseedschunken, die sie in Goa nach langer Suche gefunden und gekauft hatten. Bei der Ueberfuehrung nach Hong Kong, zum Startpunkt der Reise, kam das Schiff in einen Jahrhundertzyklon und sank in der Naehe von Sri Lanka. Die gesamte Crew konnte gerettet werden. Axel und Peter entschieden sich, trotz des Rueckschlages weiterzumachen und fanden nach langer Suche in Indonesien das heutige Schiff.
Wer bezahlt die Dschunkentour?
Finanziert wird das Projekt primaer mit dem Verkauf von Buechern, mit Diavortraegen und durch Sponsoring. Auch Schauplatz eines Filmes war das Schiff schon. Eine amerikanische Filmgesellschaft hatte es in Thailand entdeckt und meldete ihr Interesse an, darauf einen Film drehen zu können. Die Dschunke wurde unter anderem mit neuen Segeln eingekleidet und das eingenommene Geld floss in die Reisekasse.
Spuren hinterlassen
Die Dschunkentour ist nicht bloss eine Abenteuerreise, sondern hat auch politischen Hintergrund. Axel und Peter ueberbringen eine Petition zur Voelkerverstaendigung. Darin schreiben sie unter anderem: "Unser Vorhaben ist es, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Dabei sollen verschiedene Herkunft, andere Sprache, unterschiedliche Religion nicht trennen, sondern vielmehr als gegenseitige Bereicherung verstanden werden. Wir wollen "Weltsichten" sammeln und weitergeben. Wie Marco Polo einst wollen wir Botschafter sein zwischen Europa und Asien, zwischen Mitteleuropa und Fernost. Wir folgen seinen Spuren und hoffen, Spuren zu hinterlassen."
Weltsichten
Axel und Peter sind schon seit 1990 gemeinsam unterwegs. Damals, nach dem Mauerfall, sind die beiden Ostdeutschen losgeradelt, um die Welt zu entdecken, um Menschen und andere Kulturen kennenzulernen. Und das Reisen hat sie seither nicht mehr losgelassen. Es folgten Touren nach Australien, Indien und ins Amazonasgebiet. Ihre Erlebnisse und Abenteuer dokumentieren sie in Diavorträgen und Buechern.
Mit dem Diavortrag ueber die Dschunkentour sind Axel und Peter 2006 auf Tour, unter anderem auch in der Schweiz: Aktuelle Infos unter www.weltsichten.de
zurueck
home | kontakt | reiseberichte | bilder | medien | sponsoring | planung | links
Last update: 09:55 26/02 2007
|