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indonesien
Im Land der Inseln – Mai bis Oktober 07

Indonesien besteht aus ueber 13’000 Inseln: Tropisch gruene mit Regenwald, karg trockene mit sonnenverbranntem Gras und sandige, auf denen nichts als ein paar Palmen stehen. Diese Vielfalt spiegelt sich in der Kultur, in den verschiedenen Voelkern mit hunderten von Sprachen. Gegenueber dem fast schon westlich entwickelten Malaysia steckt das viel aermere Indonesien industriell und wirtschaftlich gesehen noch in den Kinderschuhen, was bedeutet, dass die Traditionen noch viel lebendiger sind und es noch viel Spannendes zu entdecken gibt. Wer Indonesien erleben will, braucht Zeit. Schnell einmal dauert es mehrere Tage, bis man sein Ziel erreicht hat, selbst wenn es relativ nahe liegt. Von der Velorikscha geht’s in den Sammelbus, von da ins kleine hoelzerne Auslegerboot, anschliessend in die grosse Stahlfaehre und zum Schluss aufs Ojek-Motorrad-Taxi...

 

Waehrend unserer Zeit in Indonesien reisen wir von Java ueber Sulawesi nach Flores und Bali, erkunden den traditionellen Schiffsbau der Bugis, sind zu Gast auf einem Bauernhof und lassen uns schliesslich fuer einige Monate mitten in einem Reisfeld nieder.


Inhalt

Bugis Pinisi

Auf dem Lande

Wo sind die Fische geblieben?

Insel der Zeremonien

 


Bugis Pinisi

Tok, tok, tok haemmert es am Strand von Tanah Beru im Takt. Hier, in der Naehe des Dorfes Bira in Suedsulawesi, entstehen die beruehmten Pinisi-Holzboote der Bugis, einem Volk von Seefahrern. Ein Rumpf liegt neben dem anderen, alle in unterschiedlichen Stadien und Groessen, vom wenige Meter grossen Fischerboot bis zum ueber dreissig Meter langen Kargo-Boot. Seit Generationen wird hier die Kunst des Bootsbaus weitergegeben. Der Bauplan ist nicht auf Papier zu finden, sondern im Kopf des Bootsbauers. Auf diese Weise entstehen charaktervoll asymmetrische Boote. Die Holzbolzen, welche die Planken einst zusammenhielten, sind mittlerweile den Metallschrauben gewichen, die Hand- der Motorsaege. Doch die Grundzuege des Handwerks bleiben traditionell. Wir beobachten einen jungen Arbeiter, der in seinen Flipflop dasteht und mit einer riesigen Motorsaege aus einem Baumstamm eine zentimetergenaue Form virtuos herausschneidet. Beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit und Praezision er arbeitet, und das bei dieser Hitze!

 

Seit Jahrhunderten sind die Bugis bekannt fuer abenteuerliche Seereisen mit ihren Segelbooten, mit denen sie weit herum Handel betrieben. Heute hat sich die Situation allerdings etwas veraendert. Die Kargoboote werden mehr und mehr von den riesigen Stahlkolossen ersetzt und die Pinisis erleben einen Aufschwung ganz anderer Art. Viele der neu entstehenden Boote werden heute von Auslaendern gebaut, die sie im Tourismusbereich einsetzen wollen, um die Leute zu entlegenen Inseln und zu den schoensten Tauchplaetzen Indonesiens zu bringen. Bis ein solches Boot fertig ist, braucht es ebensoviel Geld wie Nerven. Auch wenn fuer die Bugis alles immer "tidak apa apa" ist, was soviel heisst wie "kein Problem"... Der Bootsbau boomt, die Preise steigen und steigen, einerseits wegen erhoehter Nachfrage, anderseits, weil das Eisenholz langsam knapp wird in den Regendwaeldern. Die Bootsbauer in der Region sind reiche Maenner und man hoert, manch einer kaufe sich nach jedem gebauten Boot ein neues Auto...

 

Wir schauen uns alle moeglichen Pinisis in verschiedenen Bauphasen an, lernen viel ueber Holzqualitaeten und erfahren, dass es ungefaehr acht Monate dauert, bis das Schiff in einem Kraftakt mit Seilwinden auf Holzstaemmen Meter fuer Meter ins Wasser transportiert wird. Anschliessend braucht es ungefaehr noch einmal so lange, bis der Innenausbau komplett fertig ist. Bevor das Boot allerdings den Hafen von Bira verlassen kann, muss zuerst eine traditionelle Zeremonie stattfinden, bei der eine Ziege geopfert wird. Dies soll dem neuen Schiff sichere Fahrt gewaehrleisten und beruhigt wohl vor allem den Aberglauben der zukuenftigen Crew.

 

"Kublai’s Kahn II" ist uebrigens ebenfalls eine Pinisi aus Tanah Beru und wurde hier zur Dschunke umgebaut (siehe Bericht und Bildreportage "Dschunkentour").


Auf dem Lande

Es ist laengst dunkel, als wir nach einer langen Busreise im Hafen von Bau Bau ankommen. Schwache Gluehbirnen beleuchten eine Reihe kleiner Strassenkuechen, aus denen es zischt und dampft. Haris zeigt auf ein etwa zwanzig Meter langes, altes Holzboot, das am Pier angelegt hat. "Das ist unser Boot", meint er, und ueber ein schmales Brett balancieren wir mit unseren Rucksaecken an Bord. Haris ist mit uns auf der Dschunke "Kublai’s Kahn II" von Thailand bis nach Jemen gesegelt und wir haben ihn nun, nach ueber zwei Jahren, wieder getroffen. Wir sind unterwegs zu seiner Familie in Suedostsulawesi. Neun Stunden soll die Ueberfahrt dauern. Wir machen es uns an Deck so bequem wie moeglich. Einige Frauen sind in lange, weisse Umhaenge mit enger, verzierter Kapuze gehuellt. Sie breiten vor der Abfahrt ihre Gebetsteppiche aus und verbeugen sich immer wieder Richtung Mekka. Scherzend fragen wir uns, ob das Schiff schon so alt sei, dass Anlass zur Sorge bestehe? Bei Schiffen dieser Art ist es schon fortschrittlich, wenn ein Funkgeraet installiert ist und bereits unglaublich, wenn Schwimmwesten an Bord sind.

 

Bananen im Ueberfluss

Mit Haris erkunden wir sein Dorf und werden von allen Seiten mit grossen Augen angeschaut, von den Kindern umringt und angefasst. Immer wieder hoeren wir "Orang Barat" (Westler), oder "Bule", beides eine Bezeichnung fuer Fremde. Viele Kinder hier, so erzaehlen uns die Leute, haetten noch nie eine weisse Person gesehen ausser am Fernsehen. Ueberhaupt seien erst etwa zweimal Auslaender in Boepinang gewesen in den letzten zwanzig Jahren. Ein Junge soll, als er uns gesehen hat, zu seinem Vater gesagt haben: "Mach die Tuere zu, sonst kommen die Westler hierher und ich kann kein englisch!" Immer wieder deuten die Leute lachend auf unsere Nasen und Haris uebersetzt, sie seien neidisch auf unsere schoen langen Nasen, was wir nur schwer nachvollziehen koennen...

 

Die Leute von Boepinang leben sehr einfach. Das Essen besteht vorwiegend aus Fisch und Reis, dazu etwas Gemuese und eine scharfe Chilli-Tomaten-Sauce. Erstmals essen wir schwarzen Reis, eine spezielle Sorte, die in der Region angebaut wird und sehr gut schmeckt. Die Einheimischen haben lustige Vorstellungen ueber die Weissen und fragen uns ganz erstaunt, ob wir denn zu Hause auch Reis essen wuerden? Das Dorf besteht aus einer Ansammlung von einfachen Holzhaeusern, die teils auf Stelzen stehen. Das Badezimmer ist ein kleiner Verschlag mit einem Loch im Boden und einem grossen Fass mit Wasser, dazu eine Schoepfkelle.

 

Mit Haris besuchen wir seine Onkel, Tanten, Schulkollegen, Freunde sowie die Englischlehrerin des Dorfes und werden von allen sehr freundlich aufgenommen. Wir essen so viele Bananen wie noch nie: Als Kuchen, Pudding, Brei, glasiert, getrocknet oder frittiert. Zum Abschied kriegen wir zwei Kilo frische sowie ein halbes Kilo getrocknete Bananen mit auf den Weg und sind nicht ungluecklich, als wir die gelben Dinger endlich vertilgt haben. Es folgen Wochen der Bananen-Abstinenz...

 

Auf der Insel

In Boepinang leben vorwiegend Leute vom Volk der Bugis, bis auf ein Quartier direkt am Meer, dessen Haeuser ueber dem Wasser gebaut und durch schmale Stege verbunden sind. Hier wohnen die Bajoe, die Seezigeuner, die vom Fischfang sowie dem Sammeln von Krustentieren und Seegurken leben. An der Sonne sind aufgeschnittene Fische zum Trocknen ausgelegt, und eine alte Frau sitzt auf dem Boden und zieht getrocknete Tintenfische auf eine Schnur auf. Wir erreichen den Bootssteg und steigen in ein schaukelndes kleines Holzboot, das beidseitig stabilisierende Ausleger aus Bambus hat. Ein Fischer bringt uns durch hohe Wellen auf eine kleine Insel vor der Kueste, wo wir eine Nacht bleiben wollen. Die einzige Bewohnerin der Insel ist eine alte Frau, die mit ihren Huehnern seit Jahren in einem kleinen Holzhuettchen wohnt. Ansonsten sind nur ein paar Fischer hier, die darauf warten, bis sich das Meer beruhigt und sie mit ihren Booten hinaus koennen. Schnell haben wir an einem leicht erhoehten Punkt unter einem grossen Baum unseren idyllischen Schlafplatz gefunden und das Zelt aufgestellt. Doch die alte Frau ist gar nicht gluecklich darueber. In diesem Baum gaebe es Geister und es wuerde Unheil geschehen, wenn wir hier schlafen wuerden. Als wir keine Anstalten machen, uns zu verschieben, schickt sie die Fischer zu uns, die uns fragen, ob wir nicht mit ihnen ueber Nacht fischen gehen wollten? Wir schlafen schliesslich am Strand unter freiem Himmel, und die Geister bleiben ruhig...

 

Wer hat die Kokosnuss

Die ganze Familie steht auf dem Balkon und wartet schon auf uns, als wir nach einer dreistuendigen Wanderung auf dem kleinen Bauernhof in den Huegeln ankommen. Der Onkel von Haris hat uns eingeladen, seine Familie zu besuchen und bei ihnen zu uebernachten. Zur Begruessung gibt es Eiscreme. Keine normale allerdings, sondern “Es Kelapa“ (Kokosnusseis) im indonesischen Stil. In pink leuchtendem Sirup schwimmen Eiswuerfel und frisches Kokosnussfleisch. Das ganze sieht richtig poppig aus und schmeckt gut, allerdings sehr suess.

 

Kokosnuesse sind das Kapital der Familie. 9000 Stueck werden pro Jahr geerntet und daraus Oel produziert. Der angestellte Kletterer erntet Kokosnuesse von bis zu 30 Palmen pro Tag. Wir schauen zu, wie er geschickt und in einem Affentempo in die Krone hochklettert, die reifen Kokosnuesse abschneidet und schon wieder bei uns auf dem Boden steht. Pro Palme kriegt er 1500 Rupiah, was ungefaehr 20 Rappen sind. Erst einmal sei er heruntergefallen, erzaehlt er, und habe den Arm gebrochen. Der Dorfheiler habe die Hand aufgelegt und den Bruch so geheilt. Fuenf Kokosnuesse ergeben einen Liter Oel. Mit einer einfachen Maschine zerkleinert Mannawiah, die Mutter, das Kokosnussfleisch, mischt es mit Wasser und kocht es ueber dem offenen Feuer zusammen mit einem schmackhaften Gras. Nach einer Weile schoepft sie die obenaufschwimmende Masse ab, fuellt sie in einen Reissack und zwingt das Oel mit einer hoelzernen Presse heraus. Fuer einen Liter Oel kriegt sie 4000 Rupiah (60 Rappen). Gearbeitet wird langsam, aber stetig. Es geht nicht darum moeglichst viel Profit zu machen, sondern davon leben zu koennen.

 

Gegen Abend wollen wir die Umgebung erkunden und gehen durch die Hintertuer in den lichten Wald aus Kakaobaeumen, Bananenstauden und Kokospalmen entlang einem Fluesschen. Es daemmert schon. In einem Kreis ziehen wir zurueck zum Haus. Als wir naeher kommen, hoeren wir ein lautes Stimmen-Durcheinander in der Bugis-Sprache. Durch die Fronttuere treten wir unauffaellig wieder ein, worauf ein Geschrei und Gelaechter losgeht. Haris erzaehlt, seine Familie habe gedacht, wir haetten uns verlaufen. Nach Sonnenuntergang gehen die Leute gewoehnlich nicht mehr nach draussen, da dann die Geister unterwegs sind. Alle haetten gesagt: "Haris, geh die beiden suchen!", worauf er gemeint habe, er kenne uns und zweifle keinen Moment daran, dass wir den Weg zurueck nicht mehr finden wuerden. Nachdem sich alle wieder beruhigt haben, wird auf dem Fussboden das Nachtessen serviert. Alle setzen sich im Kreis um die aufgestellten Platten und Teller. Es gibt Fisch, Reis-Mais und Kuerbis mit Papaya in Kokosnussmilch. Alle bedienen sich aus den Schalen und Schuesselchen, gegessen wird von Hand. Der Lebensrhytmus passt sich dem Sonnenlicht an. Es gibt keine Stromleitung, das Licht stammt von einem Generator, der jeweils Abends fuer eine Weile laeuft. Um spaetestens neun Uhr schlaeft das ganze Haus, um vier Uhr frueh beginnt der erste Hahn lauthals zu schreien. Noch vor fuenf wird aufgestanden fuers Gebet, dann werden die Fruehstuecks-Bananen fritiert.

 

Auf dem Weg zurueck zur Kueste merkt Migg ploetzlich, dass er eine Hose, die er zum Trocknen aufgehaengt hat, auf dem Bauernhof vergessen hat. Am Wegesrand grast ein kleines Pferdchen. Wir fragen den Besitzer, ob wir es kurz ausleihen duerfen. Kein Problem, meint dieser, und schon sitzt Migg. Im Trab reitet er ohne Sattel. Schnell ist er wieder zurueck und meint, der spitze Ruecken des Pferdes sei verdammt unbequem gewesen, alles schmerze. Es wird immer schlimmer, und als Migg sich hinsetzt, realisiert er, dass alles wund ist! Eine Erinnerung an unseren Ausflug, die ihm fuer einige Tage erhalten bleibt...


Wo sind die Fische geblieben?

Sandstrand, ein kleiner Dschungel, darin versteckt ein paar Bungalows. Wir sind auf der kleinen Insel Hoga, die zum Wakatobi-Archipelago oestlich von Sulawesi gehoert. Drei Tage sind wir gereist, viermal umgestiegen von einem Boot aufs andere. Wir sind die einzigen, welche die lange Reise auf sich genommen haben, es gibt ausser uns keine Gaeste, was wir natuerlich geniessen. Kaum ist alles ausgepackt, stehen wir schon im kleinen Tauchshop, einer einfachen Huette direkt am Strand. In einem kleinen, schaukelnden Holzboot geht’s raus zur Riffkante, einer steil abfallenden Wand. Die Korallenformationen erinnern an Sipadan und sind wunderschoen, doch leider hat’s kaum Fische. Der zweite Tauchgang ist ziemlich ernuechternd: Beim Auftauchen finden wir uns mitten in einem zerbombten Riff wieder. Die Fischerei mit Dynamit und Cyanid ist leider noch immer eine gaengige Praxis, obwohl das Gebiet als Marine-Park ausgewiesen ist! Das Problem ist, dass niemand die Region kontrolliert. Die lokalen Fischer sollten besser aufgeklaert und Alternativen zum Fischen geschaffen werden. Ein guter Vergleich, der den Einheimischen vielleicht einleuchten wuerde: "Wenn ich ein Huhn essen will, sprenge ich auch nicht den ganzen Bauernhof in die Luft!". Kommerzielle Boote, die im Marinepark illegal fischen, sollten konsequent weggeschickt werden.


Insel der Zeremonien

Nach Wochen des Unterwegsseins werden wir in Bali fuer einige Monate sesshaft. Auf dem Lande, fernab vom touristischen Sueden, mieten wir ein kleines Haus, das umgeben ist von Reisfeldern und plaetschernden Baechlein. Unser Haus heisst "Swallowhouse" und hat seinen Namen bekommen, weil es urspruenglich gebaut wurde, um als Brutstaette fuer eine bestimmte Schwalbenart zu dienen. Die Nester der Voegel sind eine beliebte Delikatesse bei den Chinesen und erzielen hohe Preise auf dem Markt. Leider sind die Schwalben ausgeblieben, das Haus wurde umgebaut und wird nun vermietet. Unsere einzigen Nachbarn sind Maeuse, Eidechsen und Schlangen. Jeden Tag puenktlich um sechs Uhr weckt uns das laute "Eh-Aaah" unseres grossen Hausgeckos. Zeit, aufzustehen! Im klaren Morgenlicht zeichnet sich in der Ferne der Gunung Agung ab, der heilige Berg Balis, der ueber 3000 Meter hoch ist. Noch bevor die Sonne richtig da ist, joggen wir unter den verwunderten Blicken der Einheimischen eine Runde durch die Reisfelder und geniessen anschliessend in unserem Freiluft-Esszimmer das Fruehstueck.

 

Klopfende Windraeder

Doch halt – was ist das fuer ein Klopfen, das die Stille durchbricht? Die Reisaehren sind mit den Tagen reif geworden, die Felder haben einen gelben Ton angenommen. Die Einheimischen setzen ihre ganze Phantasie ein, um die Voegel von ihrem Reis fernzuhalten. Das Geraeusch stammt von selbstgebauten Windraedern, die einen Holzstecken antreiben, der im Rhythmus des Windes auf eine Blechdose schlaegt. Solange das alles ist, was uns stoert...

 

Drei Monate dauert es jeweils, bis der Reis geerntet wird. Es gibt ein ausgekluegeltes Bewaesserungssystem fuer die Felder. Jede Dorfgemeinschaft hat einen Wasserchef, der die Bewaesserung koordiniert. Das Wasser wird in einem bestimmten Rhytmus umgeleitet, so dass alle Felder genug kriegen. Nebst Reis werden Sojabohnen, Suesskartoffeln und Erdnuesse angebaut. Alles ist Teil eines Kreislaufes, der seit Jahrhunderten funktioniert. Leider ist die Pflege nicht so oekologisch wie man sich das vorstellt. Wir beobachten, dass die Felder ab und zu gespritzt werden.

 

Schon frueh am Morgen pilgern die Bauern zu ihren Feldern, um Gras oder die Blaetter der Suesskartoffeln zu schneiden, die als Schweinefutter genutzt werden. In hoch aufgetuermten Haufen tragen die Frauen das Schnittgut auf dem Kopf nach Hause. Manchmal balancieren sie die schweren Staemme einer alten Bananenstaude, und wir erfahren, dass sie diese klein zerhacken, zu einem Brei kochen und ins Saufutter mischen. Die Schweine gehoeren den Frauen, die Kuehe, die in Holzhuetten auf den Feldern leben, den Maennern. Vom Feldweg, der an unserem Haus vorbeifuehrt, ertoent ein Schnattern. Die Enten kommen! Ein lustiges Bild, wie sie zu dutzenden hintereinander herwatscheln, gefolgt von einem Mann, der wie ein Dirigent einen langen Bambusstecken in der Hand haelt, an dessen Ende ein rosaroter Plastiksack baumelt. Er muss lediglich seinen Stock schwenken, und die Enten wechseln auch schon ihren Kurs. Wenn es einmal unverhofft zu regnen beginnt, reissen die Leute die grossen Blaetter der Alocasia-Pflanze ab und halten sie wie Schirme ueber den Kopf. Waschen tun sich die Reisbauern in den Bewaesserungskanaelen. Leider werden diese Baechlein auch oft als Toilette missbraucht, was wir nicht nachvollziehen koennen, ist doch das Wasser die wertvollste Ressource.

 

Putri und Wayan, die Vermieter unseres Hauses, laden uns zum Mittagessen in ihren Compound ein. Ein klassischer Bali Compound besteht aus mehreren Haeusern, die so angeordnet sind, dass sie in der Mitte einen Hof bilden. An erhoehter Stelle steht der Familientempel, bestehend aus diversen tuermchenartigen Altaren. Sie sind aus roten Ziegelsteinen und grauem Sandstein gebaut, mit Moos bewachsen und charaktervoll verwittert. Putri kocht fuer uns ein balinesisches Festmahl. Aubergine in Kokosmilch, fritierte Tofuscheiben an Chili-Erdnussauce, dazu Babi Kecap (Schweinefleisch an suesser Sojasauce), frische Bohnensprossen und natuerlich Reis.Von jeder Reismahlzeit wird im Familientempel ein Teil geopfert. In kunstvoll zusammengesteckten Koerbchen aus Palmblaettern wird etwas Reis kombiniert mit Blueten und Raeucherwaren aufgestellt, manchmal ein Keks oder sogar eine Banknote beigefuegt.

 

Bali Spirit

Die Hauptreligion auf Bali ist der Hinduismus. Kultur, Religion und das Alltagsleben sind eng miteinander verknuepft. Schnell merken wir, dass alle paar Tage ein besonderer Tag ist. Zu jeder Gelegenheit gibt es eine Zeremonie mit Opfergaben, sei es aufgrund eines bestimmten Mondstandes, einer Geburt oder eines Todesfalles. Jeder Tempel hat alle 210 Tage "Geburtstag" und das ganze Dorf versammelt sich zum Gebet und bringt Opfergaben. Wayan und Putri laden uns ein, mitzukommen zu diesem Anlass. Sie bringen uns Kleider mit, und bald sehen wir aus wie Balinesen. Caroline traegt einen Batik-Sarong, ein besticktes, halbtransparentes Oberteil, Migg einen Sarong, ein weisses Hemd und eine Kopfbinde. Mit der ganzen Familie geht es los Richtung Tempel. Putri balanciert eine golden leuchtende Schale auf dem Kopf. Aepfel, Orangen und Bananen sind zu einem kunstvollen Turm arrangiert. Grazioes und mit Leichtigkeit schreitet sie aus und erntet unsere bewundernden Blicke. Zuvor haben wir selber ausprobiert, die Schale auf unseren Kopf zu stellen. Dabei haben wir realisiert, wie schwer sie ist und wie leicht sie ausser Balance geraet. Den Balinesinnen scheint dies allerdings im Blut zu sein. Sogar Velofahren koennen sie locker mit ihren Lasten auf dem Kopf... Wir kommen im reich dekorierten Tempel an. Die Stimmung ist geheimnisvoll, es dunkelt gerade. Ueberall brennen Raeucherstaebchen, ein suesslicher Duft von Frangipani-Blueten liegt in der Luft. Ein Priester zitiert im Singsang eine Geschichte in Sanskrit. Die mitgebrachten Opfergaben werden aufgestellt und schmuecken den Tempel. Wer hat wohl die schoenste Schale mitgebracht? Schade eigentlich, finden wir, was fuer eine Verschwendung fuer die schoenen Fruechte. Wayan und Putri lachen und versichern uns, dass nach dem Tempelbesuch alles wieder mitgenommen und im Familienkreis gegessen werde. Als wir zu Hause ankommen, verspeisen wir nicht nur die Fruechte, sondern vorgaengig "Gado Gado" (Reis mit Gemuese), dazu die Huehnerschlegel, die diskret unter den Fruechten versteckt waren. "This Chicken blesses you" meint Wayan...

 

Ein paar Tage spaeter steht Migg vor der Steinstatue in unserem Schlafzimmer, die Ganesha, den Elefantengott darstellt. Die Lampe, die ihn beleuchtet, ist kaputt, und Migg will die Birne auswechseln. "Hallo!" sagt ploetzlich eine Stimme zu ihm, und nochmals "hallo, hallo?". Fast schon wird es ihm unheimlich, bis er realisiert, dass sich das Mobiltelefon in seiner Hosentasche selbstaendig gemacht und jemanden angerufen hat. Seither pflegt Migg eine ganz spezielle Beziehung zu Ganesha, denn schliesslich handelt es sich ja um den Gott der Weisheit und des Lernens, den Schutzherr der Wissenschaften und Überwinder aller Hindernisse. Er wird oftmals vor neuen Unternehmungen um Beistand gebeten. Man weiss ja nie...

 

Vollmondparty

Heute ist Vollmond, fuer die Balinesen ein ganz besonderer Tag. Wir sind eingeladen zu einer Tempeleinweihungszeremonie. Jeder Familientempel muss eingeweiht sein, damit im Haus ein guter Spirit herrscht, keine Probleme auftreten und die Famile gluecklich ist. Der Compound ist zwar schon zwanzig Jahre alt, doch bisher war kein Geld vorhanden fuer die Einweihung, die mehrere tausend Dollar kostet fuer Opfergaben, Dekorationen und Essen. Im Morgengrauen werden 100 Enten und zwei grosse sowie ein kleines Schwein geschlachtet. Die Sandsteinaltare des Familientempels sind eine Augenweide. Sie sind in Tuecher gehuellt und versiert geschmueckt mit bunten Opfergaben. Ueberall haengen Stoffe mit aufgenaehten Spiegelchen, obenauf sind Stoff-Schirme als symbolischer Schutz platziert. Jeder Zentimeter ist bedeckt mit buntem Zuckergebaeck, lebkuchenartigen Bisquits, und mittendrin liegt ein glasiertes Schweinchen. Eine Kokosnuss ist mit dem Kopf, den Fluegeln und den Fuessen einer geopferten Ente verziert. Das alles erinnert an einen Maerchenpalast und ist faszinierend zu sehen. Einige Frauen aus dem Dorf sitzen auf dem Boden und plaudern. Sie alle haben einen Korb mit Opfergaben hingestellt, den sie spaeter wieder mit nach Hause nehmen. Da kommt der weiss gekleidete Priester mit seinem Gefolge. Er huellt sich in ein weisses Tuch, legt sich Ketten um Hals und Ohren, auf den Kopf kommt ein roter, kronenartiger Hut. Dann haelt er seine Zeremonie im Haustempel, murmelt vor sich hin und sprueht heiliges Wasser in die Luft. Unterdessen kleidet sich ein alter Mann in bunt bestickte Umhaenge mit Pailetten und setzt sich eine hoelzerne Maske auf. Mit schlaengelnden Bewegungen beginnt er sich zur Musik langsam zu drehen. Er scheint dabei eine dramatische Geschichte zu erzaehlen. Die Dorf-Musik, in der ausschliesslich Maenner vertreten sind, spielt mit Gong, Xylophon und Trommel klassische "Bali-Musik", genannt Gamelanmusik. Die dissonanten Melodien scheinen weder Anfang noch Ende zu haben.

 

Caroline Zollinger & Michael Scherrer




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Last update:  13:37 02/09 2009