reiseberichte
mongolei
Im Land der Jurten, Schafe und Ziegen


Inhalt

Gastfreundliches Volk

Familiensinn

Herzzerbrechende Musik

13 Jahre nach dem Umbruch

Was kostet...?

"Mongol aerch"

Von Jurten, Satellitenschuesseln und Schafskoepfen

Sitten und Braeuche

Sesshafte Nomaden

33 Stunden durchgeschuettelt

 


Gastfreundliches Volk

Sie haben ein froehliches Gemuet, die Mongolen, und man muss sie einfach gern haben. Auf keinen Fall darf man sie stressen oder unter Druck setzen. Man braucht immer eine Portion Zeit und Geduld, doch zum Schluss klappt immer alles irgendwie. Sie lachen viel, lachen einem ebenso an- wie auch aus und haben einen ausgepraegten Nationalstolz. Sie alle lieben ihr Land ueber alles und leiden manchmal fast schon an Selbstueberschaetzung. Auch ihre Neugier geben sie unverbluemt zum besten. Auf dem Land wissen alle alles uebereinander, und trifft man jemanden an, so ist die erste Frage «tschi chanas irsen bee?” (woher kommst du), die zweite “hascha jawtsch baen?” (wohin gehst du?). Gastfreundschaft hat bei den Mongolen Tradition und ist ganz selbstverstaendlich. So bedankt man sich nicht fuer den Tee, den man bekommt, denn dies ist ganz einfach normal. Uebrigens ist es in der Mongolei nicht ueblich, sich zur Begruessung die Hand zu geben. Sieht man zwei Mongolen, die sich die Hand reichen, so ist es, weil der eine dem andern versehentlich auf die Fuesse getreten ist. Das Haendeschuetteln heisst dann soviel wie “Entschuldigung”.

 

Die Mongolen sind allgemein sehr freundlich und immer hilfsbereit, wenn man sie beispielsweise nach dem Weg fragt. Lustig ist ihre direkte und undiplomatische Art. Sie sagen Saetze wie “Caroline, you should comb your hair” oder “Michael, I think you should shave, you look like Fidel Castro”… Wenn wir jeweils sagten, unser mongolisch sei sehr schlecht (“bi mongolor moo jertaeg”), so nickten sie und sagten freudig “timee, timee” (ja, ja). Privatsphaere ist fuer sie fremd. So schauen sie einem ungeniert ueber die Schulter, wenn man am Computer sitzt, und in der Bank stehen sie so nahe, dass sie alles mitbekommen. Unser Versuch, in einer Bank auf dem Lande auf diskrete Weise (sprich so, dass die zwei komischen Kerle hinter uns es nicht mitbekommen wuerden) 300 Dollar zu beziehen, scheiterte klaeglich. Auf einen Zettel schrieben wir den gewuenschten Betrag und zeigten ihn der Bankangestellten. Worauf sie ihrer Kollegin durch den ganzen Raum in mongolisch zurief: Die zwei wollen 300 Dollar beziehen!

 

Die meisten Mongolen lieben es, fotografiert zu werden. Sie ziehen ihre schoensten Deel (mongolischer Mantel) an, machen ernste Gesichter und gucken ganz feierlich drein. Eine besondere Freude war, dass sie auf der Digitalkamera die Bilder sofort anschauen konnten. Und natuerlich auch gleich noch jene Bilder, die wir zuvor an anderen Orten geknipst hatten... Sie zappten sich jeweils voller Elan durch unsere Erlebnisse und konnten kaum genug davon kriegen. So genanntes Daumenkino…


Familiensinn

Eine der ersten Fragen in der Mongolei ist immer, wie alt man ist. Denn wer aelter ist als der andere, hat das Sagen. So wird auch die Meinung der Eltern immer respektiert, und was sie sagen, wird in der Regel befolgt. Wenn wir jeweils unser Alter bekanntgaben und sagten, wir haetten keine Kinder, waren sie immer ganz entsetzt. Denn Kinder haben hier einen sehr hoher Stellenwert. Ueberhaupt haben die Mongolen einen ausgepraegten Familiensinn. Gefallen hat uns der Umgang, den sie mit ihren Kindern pflegen. Sie lieben sie zwar ueber alles, aber sie werden viel weniger verwohent als bei uns. Sie werden nicht, wie haeufig bei uns, in den Mittelpunkt des Geschehens gerueckt, sondern einfach ganz normal behandelt. Zum Spielen haben sie weder Playstation noch Kuscheltiere, sondern ganz einfache Dinge wie “Knochenspiele”. Mit den Gelenkknochen von Ziegen und Schafen wird eine Art Wuerfelspiel gespielt. Die vier Seiten eines Knochens sind unterschiedlich ausgeformt und bedeuten entweder “Pferd”, “Schaf”, “Ziege” oder “Kamel”.

 

Die Kinder schlafen, wenn sie klein sind, immer im Bett der Eltern. Lasse man dies nicht zu, erzaehlte uns eine Mongolin, werde man spaeter von den Kindern kaltbluetig ins Altersheim gesteckt, so wie das in westlichen Laendern gemacht werde…

 

Schon die kleinsten Kinder sind sehr selbstaendig. Einmal bekamen wir waehrend unserer Pferdetour Besuch von einem vielleicht sechsjaehrigen Jungen, der sich wie ein Erwachsener ganz cool zu uns ans Feuer setzte und erzaehlte, er hole gerade seine Ziegen, die hoch oben auf der Bergkuppe weideten. Er war ganz alleine mit seinem Pferd unterwegs und wohl einige Kilometer von der Jurte seiner Eltern weg. Interessiert hat er uns beim Kochen zugeschaut und anschliessend mit uns Spaghetti gegessen. Als er unsere Digitalkamera entdeckte, begann er, alles zu knipsen, was ihm vor die Linse kam: Uns, unser Zelt von innen, unser Zelt von aussen, sein Pferd, die Waescheleine…


Herzzerbrechende Musik

Sie singen von gefundener und verlorener Liebe, von schoenen Frauen, von Pferden, Tschingis Khan und der weiten Landschaft. Und treffen einen mit ihren Melodien mitten ins Herz. Wenn die Mongolen auf ihren Pferden oder am Feuer zu singen beginnen, dann schwingt immer eine wunderschoene Wehmut und Sehnsucht mit. Auch wir haben mit ach und krach ein mongolisches Lied gelernt; schade, dass ihr’s nicht hoeren koennt! Die Leute fandens auf jeden Fall immer ganz lustig, wenn wir auf mongolisch zu singen begannen. Wir versuchten dann, ihnen Lieder wie “det aene am Baergli” beizubringen, was aber gar nicht so einfach war…


13 Jahre nach dem Umbruch

”Die Mongolen koennen gut nach ihren Pferden und Schafen schauen, aber Haeuser bauen koennen sie nicht”, meinte eine Mongolin, als sie uns erzaehlte, dass die meisten Neubauten in Ulaanbaatar von Koreanern oder Chinesen stammen. Tatsaechlich scheint es so, dass hinter geldbringenden Projekten oft Auslaender stehen.

 

Wir bekamen den Eindruck, dass in diesem Land die Frauen sehr viel verantwortungsbewusster sind als die Maenner und mit der Marktwirtschaft besser klar zu kommen scheinen als diese. Sie lernen englisch, machen sich mit dem Computer vertraut und bilden sich weiter, waehrend die Maenner oftmals eher passiv wirken. Die Mongolei wurde erst vor etwas mehr als zehn Jahren zur “Republik Mongolei”, nachdem sie lange kommunistisch und stark von der Sowjetunion beeinflusst war. Die Foerderung der Privatwirtschaft fuehrte nach dem Umbruch zu hoher Arbeitslosigkeit, und die Wirtschaft stuerzte in eine Krise. Wie sich das Land weiterentwickeln wird, ist schwer abzusehen. Soweit wir mitbekommen haben, ist einiges im Gange. Der Tourismus wird gefoerdert, die Transportwege ausgebaut, damit die Waren schneller befoerdert werden koennen. Computer werden immer wichtiger, und in der Hauptstadt findet man buchstaeblich an jeder Ecke ein Internet-Café. Waehrend lange Zeit in den Schulen russisch als erste Fremdsprache gelehrt wurde, rueckt heute das Englisch in den Mittelpunkt.


Was kostet…?

"Jammer un te wee?" Die Mongolen reden gerne uebers Geld. Wo immer wir vorbeiritten, wurden wir gefragt, was wir fuer unsere Pferde bezahlt hatten. Sie sagten uns dann jeweils ungefragt auch gleich noch, welche unserer Pferde gut (saeng), welche schlecht (moo) seien. Die Preise sind allgemein sehr tief. Das Land wird ueberschwemmt von billigen chinesischen oder russischen Produkten. So bezahlt man beispielsweise fuer einen Sattel zwischen 20 und 25 Dollar, kauft sich fuer 12 Dollar Reitstiefel, faehrt fuer 25 Dollar die 700 km von Ulaanbaatar nach Murun und kann auf dem Land in einem Restaurant fuer einen Dollar essen. Waehrend wir in Norwegen eine Unsumme fuer den Coiffeur hinblaetterten, hat sich Migg hier fuer 50 Rappen (!) einen schicken mongolischen Schnitt verpassen lassen. Die offizielle Waehrung ist der "Tugrik"; 1200 Tugrik entsprechen ungefaehr einem Dollar, so dass man immer buendelweise Noten mit sich rumtraegt.


"Mongol aerch"

Auch in der Mongolei gibt es Alkohol-Probleme (na ja, wo nicht?), und es scheint uns, dass die Mongolen sehr schlecht damit umgehen koennen. Sie trinken Unmengen von russischem und mongolischem Wodka (aerch), oder aber, wenn kein Geld da ist, ”mongol aerch”, ein aus Milch selbstgebrautes Getraenk undefinierbaren Geschmackes. Viele von ihnen werden in betrunkenem Zustand sehr aggressiv (wir haben bereits zwei eingeschlagene Fensterscheiben miterlebt) und auf dem Land ist es keine Seltenheit, dass man Maenner antrifft, die kaum mehr auf ihr Pferd steigen koennen. Gut, dass die Pferde den Nachhauseweg auch alleine finden... ”Mongol aerch” ist uebrigens nicht zu verwechseln mit ”airag” (vergorene Stutenmilch, die sehr gut schmeckt - und einem so richtig durchputzt).


Von Jurten, Satellitenschuesseln und Schafskoepfen

Auf dem Land ist man in der Mongolei, sobald man einige Kilometer aus der Hauptstadt gefahren ist. Hier beginnen die holprigen Naturpisten, tauchen die ersten Jurten und Pferdeherden auf. Die Nomaden halten nebst Pferden auch Yaks, Kuehe, Heinek (Kreuzung zwischen Kuh und Yak), Kaschmirziegen und Schafe. Die Frau ist Chefin des Feuers, kocht die Mahlzeiten und verarbeitet die Milch zu Joghurt, Butter, Kaese oder getrocknetem Quark (“aarul”). Die Aufgabe des Mannes ist es primaer, nach den Tieren zu schauen. In der Region, die wir besuchten, haben die Mongolen in der Regel einen Sommer- und einen Winterplatz.

 

Mit Ochsenkarren oder, wo moegelich mit dem Lastwagen zuegeln die Familien im September an ihre Winterplaetze, die in geschuetzter Lage sind. Schon beeindruckend, wie ein ganzer Haushalt auf so kleinem Raum Platz findet. Da ist nichts Ueberflussiges, sondern nur das, was man wirklich zum Leben braucht. Bereits im August ziehen die Mongolen mit dem Zelt fuer einige Wochen zum Winterquartier, um zu heuen. Das Gras wird dann zu grossen Haufen aufgeschichtet und bringt den Tieren im Winter Nahrung. Die meisten Mongolen haben ein grosses handwerkliches Geschick und fertigen ihre Werkzeuge selber. Einen Tag lang hat Migg bei einer Familie mitgeheut. Die Blasen an den Haenden zeugten Abends von seinem Einsatz… Caroline durfte leider nicht mitmachen, die Frauen gehoeren in der Mongolei an den Herd, beziehungsweise an den Ofen. Stattdessen hat sie unterdessen gelernt, wie man mongolisches Brot backt und ist jetzt Meisterin im Nudeln schneiden. Und waehrend sie am naechsten Tag wieder kochte und nach den Pferden schaute, durfte Migg mit auf die Jagd gehen. Das ging dann etwa so: Er rannte in einem Affentempo keuchend hinter dem leichtfuessigen Mongolen einen Berg hoch, wo die beiden, das uralte russische Gewehr im Anschlag, nach Beute Ausschau hielten. “Da – auf dem Berg vis-a-vis ist ein Hirsch!” meinte der Mongole freudig. “Wir werden uns von hinten anschleichen!” Und los ging’s den einen Berg hinunter, den anderen wieder hoch, und atemlos von hinten an den Hirsch heran. Doch leider war da kein Hirsch mehr, und die beiden kamen ohne Beute nach Hause. Welch eine Schmach… Offen bleibt die Frage, ob Migg, der im Militaer statt zu schiessen Saxophon spielte, das Ziel ueberhaupt getroffen haette.





Die Mongolen haben einen engen Bezug zur Natur, sind ihren Launen ausgesetzt und leben im Einklang mit ihr. Sie kennen die Pflanzen, wissen um die Kraeuter, die essbar sind oder die eine heilende Wirkung haben. Sie zeigten uns, welche Pflanze wir bei Halsweh, welche bei Durchfall pfluecken sollten, und kletterten 30 Meter in eine Pinie hoch, damit wir die Kerne probieren konnten. Als die Beerensaison begann, kam eines Morgens ein Mongole mit seinen zwei Kindern vorbei und brachte uns eine riesige Schale voll mit Heidelbeeren.

 

Trotz dem naturverbundenen Leben nach alten Traditionen heisst dies nicht, dass es nicht auch im Nomadenleben Modernisierungen gibt. Nicht selten sieht man neben einer Jurte eine riesige Satellitenschuessel, und auch ab und zu elektrisches Licht … Der Strom wird mit einem chinesischen Windrad erzeugt, eine Autobatterie dient als Speicher. Die Installation einer Sattelittenschuessel ist eine Geschichte fuer sich. Etwa 10 Mongolen stehen zwei Stunden lang geduldig drumherum und drehen, einer nach dem anderen, an der Schuessel, bis der Empfang, oh Wunder, endlich da ist.

 

Die Modernisierungen bringen auch Probleme mit sich. So kommen Materialien aufs Land, die man bisher nicht gekannt hat. Ueberall findet man leere Petflaschen und sonstigen Abfall, achtlos weggeworfen. Ein weiteres Problem, dass die Mongolen nicht zu realisieren scheinen, ist die Ueberweidung des Landes. Mancherorts, wo mehrere Jurten unweit voneinander stehen, gibt es so viele Tiere, dass das Gras millimetertief abgefressen und der Boden teilweise erodiert ist.

 

Wenn man fuer laengere Zeit in einem Land ist, bekommt man Einblick ins Alltagsleben der Leute und sieht nebst den vielen positiven Aspekten auch die Schattenseiten. Denn ganz klar neigt man (zumindest wir taten es) dazu, das Nomadenleben zu romantisieren. Lebt man eine Weile mit den Nomaden, realisiert man, wie hart es besonders im Winter ist. So werden denn auch mehr und mehr Jurten abgebrochen, und die Leute bauen sich in der Stadt mehr oder weniger erfolgreich eine neue Existenz auf.

 

Im Ger

Wer in eine Jurte (mongol. = ger) eintritt, erlebt die vielbeschriebene Gastfreundschaft der Mongolen. Sofort haelt man eine Schale Milchtee in der Hand und bekommt dazu oft auch Brot und frische Butter. Auf kleinen, buntbemalten Holzstuehlen sitzt man um einen niedrigen Tisch, der hinter dem Ofen plaziert ist. Blickt man nach oben, sieht man direkt den Himmel und die vorbeiziehenden Wolken. Die Jurte ist immer so ausgerichtet, dass die Tuere nach Sueden schaut. Ein gutes Orientierungsmittel, wenn man so herumreitet und zu faul ist, um den Kompass auszupacken… In der Mongolei ist es uebrigens normal, einfach so bei den Leuten vorbeizuschauen. Man wartet nicht, bis man eingeladen wird, sondern geht einfach auf einen Tee in der Jurte vorbei.





Ziege aus der Milchkanne, Hammelfleisch und noch mehr Hammelfleisch…

Als Vegetarier/in hat man in der Mongolei definitiv ein schweres Leben. Eine klassische Mahlzeit besteht entweder aus Reis mit Fleisch oder selbstgemachten Nudeln mit Fleisch. Spezialitaeten sind boots (gedaempfte Teigtaschen mit Fleisch) oder chooschor (frittierte Teigtaschen mit Fleisch). Wir mochten das Essen grundsaetzlich gut, hatten nur ab und zu etwas Muehe mit den fingerdicken Fettstuecken, die natuerlich bei jedem Essen mit dazu gehoerten. Augen zu und runter damit… Eine besondere Delikatesse war die “Ziege in der Milchkanne”, von der wir anlaesslich eines Festes probieren konnten. In eine grosse Milchkanne werden abwechslungsweise im Feuer erhitzte Steine und Ziegenfleisch sowie Kraeuter eingefuellt. Das ganze wird dann verschlossen und einige Minuten ins Feuer gestellt. Das Fleisch schmeckte wirklich lecker! Wir glaubten, die Knochen gruendlich genug abgenagt zu haben, doch ein Blick in die Runde belehrte uns eines besseren. Die Mongolen legten die Ziegenknochen erst dann zurueck, wenn wirklich nur noch der blanke Knochen uebrig war. Vermutlich sind unsere Zaehne schon so verweichlicht, dass wir das gar nicht mehr koennen…

 

Fuer uns, die wir uns gewohnt sind, in der Metzgerei oder beim Grossverteiler sauber abgepackte Fleischstuecke zu kaufen, war es schon eindruecklich, die Kreislaeufe so hautnah mitzubekommen. Das Schlachten eines Tieres ist hier etwas Alltaegliches und Natuerliches. Praktisch nichts wird weggeworfen, alles irgendwie verwertet. Die Mongolen essen uebrigens keine Kaelber oder Laemmer, sondern nur ausgewachsene Tiere.

 

Und gerade, als wir dachten, uns koenne nichts mehr schockieren, da wurde in einer Jurte ein ganzer Schafskopf in einer grossen Schale serviert. Die Kinder der Familie, beide zweijaehrig, hatten da weit weniger Beruehrungsaengste als wir und stuerzten sich gierig auf das Fleisch, wahrend wir uns mehr oder weniger unauffaellig zurueckhielten. Umgekehrt haben wir auch den Mongolen, die uns am Feuer besuchten, von unserem Essen abgegeben. Meist war es ihnen zu scharf, denn Mongolen sind sich absolut nicht an Gewuerze gewoehnt. Ein Renner war unser “Aromat”, das allen sehr gut schmeckte. Auch das Fruehstueck-Muesli, das wir in Ulaanbaatar gekauft und mitgenommen hatten, fanden sie ganz toll, sie meinten einfach, man muesste es mit warmer statt kalter Milch essen. Wir mussten ueber die Vorstellung von warmem Muesli laut lachen, doch einen Monat spaeter, als es so kalt wurde, dass einem am Morgen fast die Finger abfroren, da fanden wir die Idee gar nicht mehr so abwegig. Schmeckt wirklich erstaunlich gut!


Sitten und Braeuche

Relativ schnell merkt man, dass die Mongolen ziemlich aberglaeubisch sind. So wurde uns beispielsweise gesagt, dass wir bei einem Gewitter immer einen Hut tragen sollen. Was wir natuerlich taten, nach dem Motto “nuetzts nuet, so schadts nuet”… Tatsaechlich blieben wir vom Blitz verschont, und auch die erbsengrossen Hagelkoerner konnten dem Zelt nichts anhaben. Ob dies nun dem Hut oder der guten Qualitaet des Zeltes zu verdanken ist? Ein weiterer Brauch ist es, dass man nicht ueber auf dem Boden liegendes Pferde-Equipment (z.B. Sattel) steigt, sondern immer rundherum geht. Keinesfalls darf man Milch oder Blut in den Fluss geben. Besonders hilfreich war fuer uns aber der Tipp, dass dort, wo das Pferd hinpisst, ein guter Schlafplatz sei…

 

Auch beim Reisen gibt es klare Richtlinien. So reist zum Beispiel ein Mongole nie an einem Dienstag ab, da dies Unglueck bringt. Ihr wollt wissen, an welchem Tag wir unser Pferdetrekking gestartet haben? Nun ja…

 

Naadam

Kurz nach unserer Ankunft in der Mongolei im Juli besuchten wir in Murun den Naadam, das groesste traditionelle Volksfest des Landes. Das bunte, froehliche Fest wird in allen Staedten und in vielen Doerfern gefeiert und ist fuer die Leute ein Riesenanlass. Am Abend vorher waren die Coiffeure jedenfalls bis tief in die Nacht am Arbeiten, denn jeder wollte moeglichst schoen aussehen am naechsten Tag. Und auch im oeffentlichen Duschhaus standen die Leute bis elf Uhr nachts Schlange…

 

Am Naadam messen sich waehrend zwei Tagen die besten Ringer, Reiter und Pfeilbogenschiesser in einem bunten Wettkampf. Das Ringen hat uebrigens viele Parallelen zum schweizerischen Schwingen. Nebst unterschiedlichen Regeln ist der offensichtlichste Unterschied, dass die Mongolischen Ringer mehr Haut zeigen, bunt glitzernde Hoeschen und Jacken sowie schicke Kaeppi tragen. Das Pfeilbogenschiessen scheint eher eine Outsider-Disziplin zu sein. So rannten die Leute jeweils nach dem Ringwettkampf aus dem Stadion hinaus zum Pferderennen, und die Pfeile flogen ohne viel Beachtung ins Ziel.





Von grosser Bedeutung sind die Pferderennen, vor allem auf dem Lande. Gestartet wird in verschiedenen Kategorien, je nach Alter des Pferdes. Am meisten Zuschauer zieht das Rennen der Vierjaehrigen an, da sie die Schnellsten sind. Eine Staubwolke in der Ferne kuendigt die Ankunft der Pferde an, worauf unser Feldstecher von Mongole zu Mongole wanderte. Welches Pferd wohl die Nase vorn hat? Siegt ein Pferd an einem Naadam-Wettkampf, so steigt sein Wert. Die Reiter sind kleine Jungen und Maedchen, die ihre Pferde furchtlos antreiben und das Letzte aus ihnen herausholen. Als wir zuschauten, ist ein Pferd kurz vor dem Ziel ploetzlich tot zusammengebrochen! Zum Glueck schien dem Jungen, der es ritt, nichts passiert zu sein.

 

Ein besonderes Spektakel war der Zieleinlauf der Vierjaehrigen. Sobald das erste Pferd durchs Ziel preschte, waren die Zuschauer nicht mehr zu bremsen: Sie rannten und ritten in einer grossen Traube hinter ihm her, um es zu beruehren. Denn wer sich etwas vom Schweiss des Siegerpferdes auf die Stirne streicht, dem ist ein glueckliches Jahr gesichert. Auch wir ergatterten etwas Pferdeschweiss, und bis jetzt scheint’s gut zu wirken…

 

Von Schamanen, Owoos und Sekten

In der Mongolei gibt es verschiedene Glaubensrichtungen. Nebst dem Buddhismus ist der Schamanismus sowie der Naturglaube verbreitet. Ausdruck dieser Volksreligion sind die “owoos”, aufgeschichtete Stein- oder Holzhaufen, die mit blauen Baendern geschmueckt sind. Sie sind immer an speziellen Orten zu finden, meist auf Bergspitzen. Hier verehrt man die Naturgoetter- und geister, indem man Opfergaben hinterlaesst. Zu sehen sind etwa Geldscheine, Tee oder Butter. Neuerdings scheinen die Owoos auch eine Art Sammelstelle fuer leere Wodkaflaschen zu sein… Oft sieht man auch Holzkruecken, die nach der Heilung als Dank hingelegt wurden, oder aber Pferdeschaedel. Um seinem Pferd Respekt zu zollen, bringt man, wenn es gestorben ist, seinen Kopf zum Owoo. Wer an einem Owoo vorbeikommt, geht im Uhrzeigersinn drumherum, hebt einen Stein auf und legt ihn auf den Haufen. Uebrigens, so erzaehlte uns der Mongole Ganbaa, duerfe man unter keinen Umstaenden bei einem Owoo uebernachten, denn Nachts kaemen die Seelen der Verstorbenen hierher, um zu “fressen”…

 

Die Owoos scheinen immer noch als heilige Orte wertgeschaetzt zu werden und haben fuer viele Mongolen eine wichtige Bedeutung. Und doch hat sich wohl die Beziehung zur Natur auch in der Mongolei veraendert. Auch hier wird vielerorts ohne Ruecksicht gegraben und gebaut. Natuerlich ist hier noch so viel urpruengliche Natur zu finden, ist die Landschaft so weit, dass die Eingriffe als minim bezeichnet werden koennen. Doch umso schoener es irgendwo ist, desto mehr schmerzt es einem, wenn man solche Eingriffe sieht. Waehrend es frueher gemaess eines Buches, dass wir gelesen haben, ein Frevel war, lebendige Baeume zu faellen, so ist dies heute gang und gaebe. Klar, dass die Zeit auch hier nicht stillgestanden ist. Noch etwas a propos Religion: Was uns sehr unangenehm aufgefallen ist, sind die zahlreichen Sekten, die sich im Lande eingenistet haben. Sie scheinen hier auf offene Ohren zu stossen und gewinnen die jungen Mongolinnen und Mongolen fuer sich, indem sie ihnen die Moeglichkeit geben, Englisch zu lernen.


Sesshafte Nomaden

Der Kontrast zwischen Stadt und Land ist in der Mongolei riesig. “Stadt” meint primaer Ulaanbaatar, “Land” alles, was drumherum ist. Zwar gibt es auch auf dem Land Siedlungen, die aber trotz der hohen Einwohnerzahl eigentlich die Struktur von Doerfern haben. Ein typisches Beispiel ist Murun, 700 km noerdlich von Ulaanbaatar. Nebst einem kleinen Kern mit einigen haesslichen Betonbauten besteht es aus Naturstrassen und Holzhuetten, die alle von hohen Zaeunen umgeben sind. Jeder hat auf seinem Grundstueck ein Plumpsklo, und das Wasser muss an einer zentralen Stelle geholt werden. Das Leben gleicht jenem in einer Jurte: Meist bestehen die Holzhaeuser aus einem einzigen offenen Raum, in der Mitte steht der Ofen.

 

Die Leute sind noch nicht genug lange sesshaft, als dass sie gelernt haetten, Gemuesegaerten anzulegen. So liegen die Grundstuecke bis auf seltene Ausnahmen brach da, und es kaeme auch niemandem in den Sinn, einen Baum zu pflanzen und im Sommer hinauszusitzen. Der Grund, dass viele Nomaden in solche Staedte ziehen ist, dass ihre Kinder zur Schule gehen koennen und eine gute Ausbildung bekommen. Und so wachsen die Siedlungen weiter und weiter in die Steppe hinaus. Viele stellen statt eines Holzhauses ihre Jurte auf und umgeben sie mit einem Holzzaun, und es ist irgendwie traurig, diese “eingesperrten” Jurten zu sehen.

 

In der Hauptstadt

Nach Ulaanbaatar kommt man nicht, um sich die Stadt anzuschauen, sondern primaer, um seinen Trip aufs Land zu organisieren. Denn hier gibt es alles, was man dazu braucht. Man bekommt Produkte aus aller Welt, viele aus Europa, Russland oder China (auch wenn niemand hier die Chinesen zu moegen scheint…). Die Stadt besteht hauptsaechlich aus haesslichen Blockbauten im russischen Stil. Es gibt zahlreiche Einkaufslaeden und Maerkte, der bekannteste ist der “Schwarzmarkt”, der zwar noch so heisst, aber eigentlich laengst kein Schwarzmarkt mehr ist. An tausenden von kleinen Marktstaenden wird hier alles erdenkliche angeboten. Die Mongolen fahren leidenschaftlich gern Auto, viele von ihnen koennens aber ueberhaupt nicht. Es ist ein echtes Abenteuer, heil ueber die Strasse zu kommen. Im Slalom kaempft man sich bis zur Mitte und spurtet los, sobald eine kleine Luecke im Verkehr auszumachen ist. Statt zu bremsen, wird hier einfach gehupt. Es hat hier zwar Fussgaengerstreifen und Rotlichter, doch keiner scheint sich darum zu kuemmern. Tueckisch sind uebrigens auch die vielen Schaechte ohne Deckel, vor allem bei Dunkelheit…

 

Die Luft ist hier so schlecht, dass viele Leute mit Mundschutz unterwegs sind. Noch nie haben wir so viele fette Gelaendewagen auf einmal gesehen. Jeder Mongole, der es sich leisten kann, und jeder Auslaender, der hier wohnt und geschaeftet (und das sind einige), scheint standardmaessig einen Gelaendewagen haben zu muessen.

 

Die Stadt ist unkoordiniert und sehr schnell gewachsen und waechst noch immer. Waehrend im Zentrum teils recht moderne Bauten entstehen, liegen unweit davon grosse Holzhuetten- und Jurtenviertel. Offiziell existieren in Ulaanbaatar zwar Strassennamen, doch niemand kennt sie, wenn man danach fragt. Die Mongolen orientieren sich nicht nach Strassen, sondern machen blumige Beschreibungen wie: “Das Restaurant liegt direkt hinter dem Kaufhaus, westlich des gelben Bankgebaeudes”.


33 Stunden durchgeschuettelt

In der Mongolei von A nach B zu fahren, ist ziemlich strapazioes und abenteuerlich. Es gibt zwar nach Ulaanbaatar einige Kilometer Teerstrasse, doch sie geht bald ueber in buckelige Naturpisten. Mit einem oeffentlichen Kleinbus fuhren wir die 700 km nach Murun (nordwestlich von Ulaanbaatar) um dann von dort aus an den Ausgangspunkt unserer Pferdetour zu gelangen. Man sitzt so dicht gedraengt, dass man die Beine mit seinem vis-a-vis richtiggehend verweben muss. Man kann sich gluecklich schaetzen, wenn man keine allzulangen Beine hat. Denn wo man die hinpacken wuerde, ist fraglich. Mit den Abfahrtszeiten ist es in der Mongolei jeweils so eine Sache. Wenn es heisst, man fahre um 12 Uhr ab, so geht es jeweils fruehestens um 15 Uhr los. Denn wenn endlich alle Leute im Auto sitzen, heisst das noch lange nicht, dass man auch bereit ist. Nun werden zuerst noch diverse Erledigungen und Einkaeufe gemacht, wird hier eine ueberschwappende Milchkanne eingeladen und dort ein ein Ersatzteil fuers Auto abgeholt. Und schliesslich muss ja auch noch vollgetankt werden…  





Die Autos werden chronisch ueberladen, um moeglichst viel Geld einzunehmen, und so ist in der Mongolei ein Kleinbus (offiziell ein 11-Plaetzer) erst dann voll, wenn buchstaeblich jeder Zentimeter gefuellt ist. Und gerade, wenn man glaubt, nun sei es endgueltig voll, steigt noch jemand zu. Zu guter letzt schafften wir es (inkl. Chauffeur und zwei Kindern) auf 22 Personen! Nachts schlafen dann alle ein und suchen sich eine moeglichst bequeme Position. Und ploetzlich hat man einen kleinen Jungen auf den Knien und den Kopf des Sitznachbars auf der Schulter.

 

Die pannenreiche Fahrt dauerte 33 Stunden. Nach einem platten Reifen wollte der Anlasser nicht mehr, dann streikte der Alternator, und die Batterie musste immer wieder von vorbeifahrenden Autos aufgeladen werden. Gluecklicherweise sind die Mongolen wirklich gute Mechaniker. Sie schaffen es immer irgendwie, ihr Auto wieder zum Laufen zu bringen, und dies nie fluchend, sondern mit groesster Geduld.


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Last update:  10:05 26/02 2007