| An Land
Inhalt
Thailand
Andamanen
Sri Lanka
Indien
Oman
Jemen
Thailand
Von Insel zu Insel
Bei unserer Ankunft liegt "Kublai's Kahn II" zwischen malerischen Inselgruppen in der Naehe von Krabi vor Anker. Das Schiff ist bereits seit einigen Monaten in Sued-Thailand, einerseits zur Überbrückung der fürs Segeln ungünstigen Jahreszeit, anderseits wegen einigen Reparaturarbeiten.
Der erste Anblick ist ueberwaeltigend: Rundherum tiefblaues Wasser, einige herausragende Felskuppen mit etwas Gruen obendrauf, daneben die Dschunke, die aussieht wie ein Piratenschiff. Wir lernen die Crewmitglieder kennen, werden auf dem Schiff herumgefuehrt und sind begeistert. Schon bald ziehen wir den Anker hoch und legen ab zu einer Testfahrt von Krabi nach Phuket. Unterwegs halten wir in Phi Phi Island an, wo sehr viel touristischer Betrieb ist. Ein Souvenirshop steht neben dem anderen, dazwischen gibt's Kulinarisches von Pizza bis Chinanudeln. Ziemlich enttaeuschend. Wir haben uns das alles viel weniger ueberlaufen vorgestellt. Unterwegs sehen wir aber auch Inseln, die noch sehr unberuehrt scheinen. Wir ziehen erstmals die Segel hoch und lassen uns vom Wind vorwaerts treiben – ein wunderbares Gefuehl! Unterwegs passieren wir eine Insel, an deren steilen Felswand ueberall kleine Holzleitern angebracht sind. Die wackeligen Aufgaenge in schwindelerregender Hoehe stammen von einheimischen Vogelnestsuchern. Sie sammeln in den Felsnischen die Schwalbennester und verkaufen sie nach China. Dort gilt Vogelnestsuppe als eine Delikatesse.
Sex- und anderer Tourismus
Wir bleiben fuer einige Tage in Phuket und erledigen die letzten anfallenden Arbeiten an Bord. Dazwischen bleibt Zeit fuer einige Ausfluege ins Nachtleben. Der Sextourismus ist hier voll am Boomen, die thailaendischen Prostituierten sind zahlreich, ebenso die maennlichen Touristen. Es ist echt krass, was hier abgeht. An der beruehmtberuechtigten Bang La Road (Patong Beach) trifft der Badeurlauber auf den Sextourist. Man sieht Paerchen und Familien, daneben Maenner von jung bis alt auf der Suche nach sexuellen Abenteuern. Die Thailaenderinnen sind immer schoen froehlich und laecheln zu allem. Die Uebergaenge zwischen Gelegenheits- und Berufsprostitution scheinen ziemlich fliessend zu sein. Nicht wenige hoffen wohl auf eine Hochzeit mit ihrem Freier. In sogenannten "Karaoke-Bars" sitzen leicht bekleidete, teils sehr junge Maedchen wie Huehner auf der Stange und warten, bis sie mitgenommen werden...
Mit anderen Worten, wir haben nicht viel gesehen von der thailaendischen Kultur, obwohl natuerlich auch dieser Part irgendwie dazugehoert und durchaus interessant ist. Tragischerweise hat der Tsunami einige Wochen nach unserer Abfahrt in dieser Region grosse Schaeden hinterlassen.
Similan Islands
Wir verlassen Phuket mit Kurs auf die Andamanen und ankern unterwegs fuer eine Nacht bei den Similan Islands. Die thailaendischen Granitinseln sind zu einem Nationalpark zusammengefasst und gehoeren zu den Toptauchgruenden der Welt. Caroline schnallt sich das erste Mal in ihrem Leben (und das mit 31...) den Schnorchel um und ist hell begeistert von den bunt gestreiften Fischen, auch wenn es nur wenige sind und die Vielfalt sich in Grenzen haelt.
Andamanen
Ein Hauch von Indien
Port Blair, die Hauptstadt der Andaman Islands im Golf von Bengalen ist unser erster Kontakt mit Indien. Eine abgeschwaechte Version zwar, wie uns die versierten Indienreisenden auf "Kublai's Kahn II" versichern. Kuehe schlendern gemaechlich ueber die Strasse, ueberall sind Motor-Rikschas und Fahrraeder unterwegs. Besonders gut gefallen uns die altmodisch anmutenden Taxis der Marke "Ambassador". Doch es hat schon was: Trotz Betriebsamkeit hat Port Blair etwas Verschlafenes an sich. Es ist nicht viel los hier, doch die Stadt ist sehr gruen und strahlt mit den teils bunt angemalten Haeusern einen ganz eigenen Charme aus.
Die Inseln lassen sich nur mit einer Sondergenehmigung besuchen. Es kostete uns im Vorfeld einen ganzen Tag und viel Ueberredungskuenste, bis wir den separaten, handschriftlichen Eintrag im Indien-Visum endlich bekamen. Doch selbst mit der Sondergenehmigung kann man sich nicht wirklich frei bewegen, da viele Gebiete fuer Touristen komplett gesperrt sind. Einer der genannten Gruende ist, dass auf manchen Inseln noch Ureinwohner leben, die der Staat auf diese Weise schuetzen will. Der Volksgruppe der Sentinelesen soll es bis anhin tatsaechlich gelungen sein, praktisch ungestört zu leben. Es handelt sich gemaess Schaetzungen um rund hundert Leute, die auf der kleinen Insel Nord-Sentinel zu Hause sind. Jeder, der sich ihnen auf Schussdistanz nähert, wird mit Pfeil und Bogen empfangen. Diese deutliche Abwehrhaltung ist es wohl, die das Volk bis heute vor den Kontakten mit der "Zivilisation" bewahrt hat. Wir sahen Nord-Sentinel aus der Ferne, als wir vorbeisegelten. Faszinierend, dass dort ein so altes Volk mit seinen Bräuchen bis heute mehr oder weniger unbehelligt überlebt hat. Die Urbewohner der Andamanen leben schon seit mehreren Tausend Jahren hier und erweckten auch das Interesse Marco Polos. Sie gaben ihm Stoff für die wildesten Beschreibungen. Seinen Reiseerzählungen ist zu entnehmen, dass auf den Inseln "Wilde mit Hundeköpfen" hausen.
Uebrigens sollen die Naturvoelker der Andamanen gemaess Medienberichten den Tsunami vom Dezember 2004 allesamt ueberlebt haben. Doch ihre Zukunft ist trotzdem in Frage gestellt. Die Neuzeit rueckt ihnen auf den Leib... Gewuerze und Wurzelgeflechte
Mit einem gemieteten Motorrad ziehen wir los, um die Sued-Andaman-Insel, auf der Port Blair liegt, zu erkunden. Schnell sind wir auf dem Land, mitten in den Reisfeldern und passieren immer wieder kleine Holzhaeuser mit winkenden Leuten. Vereinzelt stehen imposante Baumriesen mit weit verzweigtem oberirdischem Wurzelsystem an der Strasse. Wir zweigen ab zur Kueste, fahren vorbei an Sandstraenden mit Palmen und dichten Mangrovenwaeldern. Im seichten Wasser stehen die Straeucher wie auf Stelzen.
Gruenes Paradies
Per Zufall entdecken wir eine parkartige Anlage, einen biologischen Gewuerzgarten des Landwirtschaftsdepartements. Die bluehenden Baeume, Kakteen und Stauden machen uns neugierig, und wir fragen den Gaertner, ob wir hereinkommen duerfen. Eigentlich ist die Anlage geschlossen, doch er laesst sich durch unsere enttaeuschten Blicke erweichen und nimmt uns mit auf einen Rundgang durch den paradiesischen Garten. Die Wege sind gesaeumt von buntblaettrigen Topfpflanzen. In einer waldartigen Partie gibt es Kakaobaeume, Zimtstraeucher, Muskatnuss und Pfefferpflanzen, die sich an den Staemmen hochranken. Die Voegel pfeifen, ansonsten ist es still. Auf einem grossen Feld wachsen reihenweise Ananaspflanzen, dahinter stehen auf einem langen, beschatteten Holztisch Hunderte von Phalaenopsis-Orchideen, die hier vermehrt werden.
Ein Ausflug in die Vergangenheit
Zurueck in Port Blair erwischen wir gerade noch die kleine Faehre zur nahen Ross Island, einer kleinen Insel, die waehrend der Kolonialzeit als Regierungssitz der Briten diente. Zahlreiche Ruinen erinnern an damals. Einige verbliebene Bunkeranlagen der Japaner aus dem Zweiten Weltkrieg weisen hin auf die militaerstrategische Bedeutung des Ortes im Asiatischen Raum.
Die Zeit nagt an den Gebaeuden... Ross Island ist heute ein verwunschener Maerchenort. Die Ruinen sind ueber und ueber von einem Netz aus Wurzeln bewachsen, welche die alten Formen der Gebaeude nachzeichnen. Nach und nach erobert sich die Natur ihren Platz zurueck. Absolut genial sieht die Kirche aus: Das Dach ist laengst weg, wer nach oben schaut, sieht den Himmel. Der Kirchturm endet in einer riesigen Baumkrone. Ein wunderbares Bild! Es ist Wochenende, auf der Insel sind viele indische Besucher. Sie wandern nicht in den entlegenen Ruinen herum, sondern picknicken auf der Rasenflaeche am Hafen. Als wir vorbeischlendern, fragt uns ein indisches Paerchen, ob sie uns fotografieren duerften. Wir finden es ganz witzig und stellen uns laechelnd hin. Wieder und wieder werden wir gefragt, und bald koennen wir uns gut vorstellen, wie sich die Einheimischen fuehlen, wenn eine Horde Touristen sie ablichtet. Wir gehen weiter und treffen am hoechsten Punkt der Insel vier Goldschmiede aus Indien, die in Port Blair arbeiten. Sie bieten uns Schnaps und frische Kokosnuss an und plaudern eine Weile mit uns.
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Sri Lanka
Unbemerkt mitten im Katastrophengebiet
26. Dezember 2004, ein Datum, dass wir so schnell nicht vergessen werden. Die See ist ruhig, die Sonne strahlt herrlich und laesst das Meerwasser glaenzen wie ein Spiegel. Vor kurzem haben wir die Stelle passiert, an der 2003 die erste Dschunke einem starken Zyklon zum Opfer gefallen ist und nun auf dem Meeresgrund in einer Tiefe von ungefaehr 3000 Metern ruht. Im Gedenken an dieses Ereignis wirft Ali schwungvoll den Adventskranz ueber Bord.
10 Uhr, Zeit fuer den taeglichen Anruf per Satellitentelefon nach Deutschland ins Weltsichten-Buero von Axel und Peter. “Warum habt ihr euch nicht frueher bei uns gemeldet“? fragt Ramona hektisch und ist zugleich erleichtert. “Sogar der deutsche Seenotdienst ist schon darueber informiert worden, dass ihr euch im Katastrophengebiet befindet“. Was ist nur passiert? Erst jetzt erfahren wir, dass Indonesien, genauer gesagt Nordwestsumatra, heute Morgen von einem der heftigsten Erbeben (Staerke 9) heimgesucht wurde, das es bisher gab. Das Erbeben hatte eine Monsterwelle (Tsunami) ausgeloest, die sich mit rasender Geschwindigkeit kreisfoermig ausbreitete. Wir sind ungefaehr eine Tagesreise vom Suedzipfel des Srilankesischen Festlandes entfernt. Da wir uns in tiefen Gewaessern befanden, hat uns die Monsterwelle unbemerkt passiert, ganze Kuestenabschnitte ueberrollt und innert Minuten unermessliches Leid verursacht.
Ein Tsunami ist eine seismische Meereswoge bzw. -welle, die überwiegend durch Erdbeben auf dem Meeresgrund (oft fälschlicherweise als Seebeben bezeichnet) ausgelöst wird. Sie breitet sich mit hoher Geschwindigkeit (bis zu 800 km/h) über Entfernungen von bis zu 20.000 km aus und kann in Ufernähe einer Tiefseesteilküste auf eine Höhe von etwa 50 Meter ansteigen. Die Geschwindigkeit eines Tsunamis hängt von der Meerestiefe ab; je tiefer das Meer, desto schneller und je flacher, desto langsamer ist der Tsunami. Seine Höchstgeschwindigkeit erreicht er bei einer Meerestiefe von etwa 6000 Metern. Wenn der Küste eine Inselkette oder ein Korallenriff vorgelagert ist, bricht die Welle schon weit draussen auf dem Meer. Zitat aus de.wikipedia.org (freie online-Enzyklopaedie) |
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Mit einem mulmigen Gefuehl im Bauch halten wir weiter Kurs auf Sri Lanka. Was erwartet uns, wenn wir da vor Anker gehen moechten? Wie sollen wir ueberhaupt die Situation bewaeltigen, mitten in einem von einer riesigen Naturkatastrophe zerstoerten Gebiet? Die Crew ist ziemlich aufgewuehlt.
Am naechsten Tag naehern wir uns der Kueste... was wir da sehen laesst sich nicht wirklich in Worte fassen: Fischerboote sind an der Mole zerschellt oder an Land geschwemmt worden, viele irreparabel zerstoert. Die meisten Haeuser wurden komplett durchgespuelt oder ganz weggerissen. Die ansonsten so windbestaendigen Palmen wurden wie kleine Zahnstocher umgeknickt... eine einzige Truemmerlandschaft! Kurze Zeit spaeter kommen die Einheimischen mit den wenigen noch funktionstuechtigen Fischerbooten auf uns zu und versuchen uns zu erklaeren, was geschehen ist und ob wir irgendwelche Hilfe benoetigen. Wir werden von den Booten foermlich eingekreist, was in uns ein unbehagliches Gefuehl ausloest. Ein Einheimischer fragt uns, ob wir vielleicht etwas Haschisch kaufen moechten... eine Aussage, die fuer uns aufgrund der vorgefallenen Ereignisse absolut unverstaendlich ist. Wir entschliessen uns, weiter nach Norden zu fahren. Doch wohin soll es gehen? Galle, unser eigentlicher Zielhafen wurde angeblich komplett zerstoert, so dass wir uns entschliessen, in Colombo einzulaufen, der Hauptstadt von Sri Lanka.
Unterwegs zu sein mit einem alten Segelschiff bedeutet mit anderen Worten auch, dass sich Abfahrts- und Ankunftstermin nur schwierig festlegen lassen. Waehrend einem Aufenthalt in einem Hafen stehen immer viele Arbeiten an, die vor der Weiterfahrt erledigt sein muessen (z.B. Arbeiten an den Segeln, dem Motor oder der Elektrik). Auch unterwegs laesst es sich nicht genau vorhersagen, wie schnell man sein wird. Wind und Wellengang beeinflussen die Fahrt betraechtlich. Wie also kommt es, dass wir nicht ausgerechnet einen Tag schneller waren? Warum haben gerade wir diese Katastrophe unbeschadet ueberlebt?
Mit diesen Fragen im Hinterkopf haben wir in Colombo im Frachthafen einklariert. Schnell wird klar, dass wir hier nicht einfach einen unbeschwerten Urlaub geniessen, sondern aktiv helfen wollen. Ueberfuelltes Spital in Galle
Ein Teil der Crew bringt die zahlreichen Medikamente, die der Dschunke von Apotheken in Deutschland mitgegeben wurden, nach Galle ins Spital, dahin, wo sie zur Zeit dringend gebraucht werden. Der Kern von Colombo selber ist von der Katastrophe ziemlich verschont geblieben. Faehrt man jedoch entlang der Kueste Richtung Sueden, so wird man nur wenige Kilometer ausserhalb der Hauptstadt mit dem Ausmass der Zerstoerung konfrontiert. Viele Einheimische scheinen unter Schock zu stehen, total paralysiert fegen die einen mit dem Besen vor ihrer Haustuere den Vorplatz, ohne sich darueber im klaren zu sein, dass nur noch die Fassade existiert. Andere wiederum sitzen in ihrem Fischerboot, das seeuntauglich am Strassenrand liegt und entwirren ihre Netze. Viele stehen reglos an der Strasse und schauen hinaus aufs offene Meer.
In Galle fahren wir mitten durch zerstoerte Stadtteile, das Meer jedoch ist nicht einmal in der Ferne zu erkennen. Unglaublich, wie weit sich die Zerstoerung ins Landesinnere ausgebreitet hat. Wir vermuten, dass es ungefaehr 3 Kilometer bis zum Wasser sein muessen. Wie sieht wohl der Hafen aus, den wir eigentlich anlaufen wollten? Das Spital in Galle ist total ueberfuellt, zwischen den einheimischen Aerzten sind auch einige aus dem Westen zu erkennen. Mit Dankbarkeit, jedoch ohne grosse emotionale Regung nehmen sie die Medikamente entgegen. Als wir aus dem Spital kommen, ertoent ein erneuter Tsunami-Alarm ueber die Lautsprecher eines Polizeiautos. Die Einheimischen versuchen schnellstmoeglichst ins Landesinnere zu gelangen, um einen sicheren Abstand zum Wasser zu kriegen. Auch wir wollen das Schicksal nicht ein weiteres Mal auf die Probe stellen und fahren Richtung Norden. Spaeter stellt sich heraus, dass es ein Fehlalarm war... Hilfsaktion im Tamilengebiet
Nachdem wir die Ausmasse der Katastrophe gesehen haben, entschliessen wir uns, vor Ort weitere Soforthilfe zu organisieren. Axel und Peter lancieren ueber ihr Buero in Deutschland eine Sammelaktion. Die Idee ist es, den Direktbetroffenen Nahrungsmittel und Haushaltsutensilien zu bringen. Doch wem genau sollen wir die Gueter ueberreichen? In Sri Lanka herrscht immer noch Buergerkrieg zwischen den Tamilen im Norden und Osten und den Singhalesen im Sueden des Landes. Oder anders ausgedrueckt zwischen den Tamil-Tigers und der Regierung. Der Landesteil, der von der Regierung ueberwacht wird, erhaelt schnell und unkompliziert Hilfe. Doch im Norden scheint die Unterstuetzung nur langsam anzulaufen. Zusammen mit einheimischen Helfern ziehen wir im Konvoi mit je zwei Lastwagen und Kleinbussen los. Speziell in der Grenzregion sind die Spuren des Krieges deutlich zu sehen. Entlang der Strasse stehen Warnschilder, die vom Betreten der Felder wegen der Minen strikte abraten. Auch die Schussloecher in den Haeusern und die Uebungs- bzw. Kampfbahnen mahnen an den Krieg. Spaeter wird uns erzaehlt, waere die Monsterwelle nicht gekommen, waere in den naechsten Tagen der Buergerkrieg wieder aufgeflammt. So oder so, Experten vermuten, dass es weiter geht mit dem politischen Konflikt, sobald Gras ueber die Tsunamigeschichte gewachsen ist.
Angekommen am Grenzposten heisst es erst einmal warten, bis wir durchgelassen werden. Waehrend wir dastehen, sehen wir die neuen und teuren Offroad-Kolosse der grossen Hilfsorganisationen wie UNICEF, etc. Irgendwie ist das Ganze schon etwas dekadent, wenn man sieht, dass von den Spendengeldern die teuersten Autos gekauft werden. Wuerde da nicht auch ein aelteres und bei weitem nicht so kostspieliges Modell reichen? Als wir sie ansprechen werden wir “von oben herab” gefragt, was wir denn hier zu suchen haetten und was das bringen soll nur mit zwei LKW’s aufzukreuzen. “Wo sind denn eure Laster?“ fragen wir, und sie erwiderten, dass sie zuerst die Situation vor Ort auskundschaften, bevor sie Hilfsgueter vorbeibringen. Wohlbemerkt, dies fast eine Woche nach der Katastrophe.
In der Regel muessen an den Grenzposten aus Sicherheitsgruenden saemtliche LKWs komplett aus- und wieder eingeladen werden. Es koennte ja sein, dass sich hinter den Reissaecken eine Bombe oder gar Soldaten verstecken. Fuer den Moment wurden die Waffen jedoch beiseite gelegt, um dem Volk zu helfen, demzufolge koennen wir problemlos passieren und muessen nicht einmal die Ladetuere der LKW’s oeffnen.
Die Strassen werden jetzt immer schlechter, am Strassenrand stehen verrostete Panzer. Unser Ziel ist Mullativu, eine Stadt mit ungefaehr 16’000 Einwohnern an der Nordostkueste. Zu unserer Ueberraschung ist der Norden wie ein voellig anderes Land. Sehr sauber und extrem gut organisiert. Vom Medienbeauftragten der Tamiltigers erhalten wir Bildmaterial von den ersten Tagen der Katastrophe. Erschreckend zu sehen, wie viele Menschen ihr Leben verloren haben. Nur vereinzelt stehen noch Fassaden der Haeuser. Ueberall liegen Truemmer herum und in der Luft liegt der Geruch von Verwesung. Von der Kirche steht nur noch die Eingangsfassade, davor steht der Dorfpfarrer und erzaehlt Axel, was sich hier in den letzten Tagen so abgespielt hat. Am Strand liegt ein Mann, der sich nicht mehr vom Fleck bewegt und keine Lust mehr hat, weiterzuleben. Seine ganze Familie (ueber 15 Personen) ist umgekommen, nur er ist uebrig geblieben. “Was soll nur aus mir werden? Warum muss ich alleine weiterleben?“ sagt er. In der Ferne sind bereits die Bagger zu sehen, die sich krampfhaft darum bemuehen, all die Truemmer zu entfernen und wieder den Grundstein fuer ein neues Dorf zu legen.
Verteilaktion in den Camps
Die Schulhaeuser der nahegelegenen Doerfer wurden zu Notcamps umfunktioniert, wo sich die Ueberlebenden mehrerer Familien jeweils ein Klassenzimmer teilen. Als wir beim ersten Camp ankommen, wollen die Verantwortlichen, dass wir ihnen die gesamten Gueter ueberlassen und in einen Lagerraum stellen. Da wir in keiner Weise den Buergerkrieg unterstuetzen moechten, ist uns das Risiko zu gross, dass unsere Lieferung auf diese Weise letztendlich der Armee uebergeben wird. Wir wollen sicherstellen, dass alles dort ankommt, wo es am noetigsten gebraucht wird, und zwar moeglichst schnell. So teilen wir die Lebensmittel in familiengerechte Portionen auf und fuellen sie in Saecke ab. Auf dem Weg ins Camp hat sich ein Truck im Sand festgefahren, eine echte Glanzleistung. So heisst es erstmal, den Laster abladen und ausbuddeln, waehrend wir die Gueter aus dem zweiten Truck bereits abpacken.
Wir sind fleissig am Zucker portionieren, als eine junge Frau, gekleidet in schwarzen Hosen, einem Hemd und einem breiten Guertel, zu Migg sagt: "I am a Tiger". Es ist nicht zu uebersehen, dass die Tigers die Camps kontrollieren, und dass sie von den Einheimischen stark respektiert werden. Um drei Uhr in der Nacht sind wir soweit: Die Pakete mit Toepfen, Tellern, Eimern, Decken, Plastikplanen, Mosquitonetzen, Kerzen, Seifen und Grundnahrungsmitteln wie Reis, Linsen, Nudeln, Kartoffeln, Mehl, Milchpulver, Zucker und Salz liegen auf dem Boden bereit. Mitten in der Nacht steht eine Person pro Familie in der Reihe an. In den Gesichtern der Menschen steht der harte Schicksalsschlag geschrieben. Eine Rebellin erzaehlt uns, dass jede Familie mindestens ein Familienmitglied verloren hat. In der Hand halten sie ein Blatt, in dem die ihnen ueberreichten Gueter eingetragen werden sollen. Als wir ihnen verstaendlich machen, dass sie die Pakete ohne schriftliche Bestaetigung entgegennehmen duerfen, wissen sie nicht so genau, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Dankbar nehmen sie an, was wir ihnen gebracht haben. Am naechsten Morgen geht es frueh weiter im naechsten Camp...
Mit Vorliebe wurde “Hardware“ wie Kochtoepfe oder Eimer entgegengenommen. Solche Dinge zu besitzen, ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zurueck in die Selbststaendigkeit. Viele der Betroffenen haben innerlich resigniert und besitzen dadurch auch nicht die Energie um schnellstmoeglich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Die Gefahr besteht, dass sie sich zu fest ans Campleben gewoehnen und keine Eigeninitiative mehr entwickeln.
Erfolgreiche Spendenaktion
Die Spendenaktion in Deutschland verlief so erfolgreich, dass es nicht moeglich war, das gesamte Geld in einer einzigen Aktion in Naturalien umzusetzen. Auf der anderen Seite ist da jedoch das Projekt ”auf Marco Polos Spuren” mit der Dschunke, und wir mussten allmaehlich weiterziehen. Daraufhin haben wir uns entschlossen, dass ein Crewmitglied, Peter aus Tioman, in Sri Lanka bleibt und sich um die weiteren Transporte kuemmert. Dies fuehrt nun soweit, dass mit den Spendengeldern ein ganzes Dorf mit ungefaehr 26 Haeusern wieder aufgebaut wird. Unterwegs auf Marco Polos Spuren
Trotz Tsunami unternehmen wir eine kleine Tour durch Sri Lanka. Im Landesinnern ist es ruhig, und das Leben nimmt seinen gewohnten Lauf. Auf terrassierten Huegeln wachsen im lichten Schatten kraeftige Teepflanzen heran, in den Taelern passieren wir Palmoel- und Kautschukplantagen. Wie nah Idyll und Grauen beieinander liegen...
Auf Edelsteinsuche
Bei Nieselregen besuchen wir das Camp von Edelsteinsuchern. Ein Holzverschlag ueberdeckt den Stollen. Mehrere Meter geht’s von hier hinunter, dann verzweigt er sich in zwei Gaenge, die in entgegengesetzte Richtungen fuehren. Migg und Peter steigen mit den Arbeitern ins Dunkel hinunter und schauen zu, wie das Material abgebaut und in Koerben nach oben befoerdert wird. Die Arbeitsbedingungen sind krass. Die Tunnel sind von Kerzenlicht schwach erhellt und so niedrig, dass ein aufrechtes gehen nicht moeglich ist. Oben angekommen, wird das steinige Material ausgewaschen. Dazu steht ein Arbeiter in den nahen Bach und bewegt den flachen Korb mit schwingenden Bewegungen geschickt hin und her. Da – ein kleiner Edelstein! Roh und ungeschliffen haben die Steine eine ganz besondere Ausstrahlung und gefallen uns eigentlich besser als das millimetergenau bearbeitete Endprodukt.
Die Suche nach Rubinen, Saphiren, Amethysten und Granaten hat in Sri Lanka Tradition. Schon Marco Polo umschreibt Sri Lanka als “Land der Edelsteine“. Zentrum der Edelsteingewinnung ist Ratnapura, die "Stadt der Edelsteine" (ratna = Edelstein).
Neujahr auf dem Adams Peak
Am Fusse des zwar nicht hoechsten, aber beruehmtesten Berges auf Sri Lanka feiern wir Neujahr. Das heisst, von feiern kann eigentlich keine Rede sein. Wir - Peter, Migg und Caroline - wollen am anderen Morgen kurz nach vier Uhr frueh aufstehen, um auf den 2243 Meter hohen Adams Peak zu steigen. Darum gehen wir bald nach dem Nachtessen ins Bett und schlafen laengst, als es Mitternacht schlaegt. Das naechste, was wir hoeren, ist der schrilllende Wecker, dann der prasselnde Regen. Scheisse, denken wir und legen uns noch einmal hin. Doch irgendwie laesst uns der Berg keine Ruhe. Ist der Regen nicht etwas leiser geworden? Wir stehen also auf und machen uns in der Dunkelheit auf Richtung Gipfel. Eine Lichterkette weist den kurvigen Weg nach oben. Treppenstufe um Treppenstufe geht es hoch, und nach dem ersten Tee an einem der kleinen Staende entlang des Weges erwachen auch die Lebensgeister.
Der Adam’s Peak ist seit Jahrhunderten das Ziel vieler Pilgerer, die in der Nacht losmarschieren, um den Sonnenaufgang zu sehen. Wer Glück hat, kann dabei ein ganz besonderes Spektakel beobachten. Zuweilen wirft der Berggipfel seinen Schatten auf die darunterliegenden Nebelbänke. Wir waeren heute schon froh gewesen, haetten wir ueberhaupt einen Sonnenaufgang gesehen... Es bleibt bedeckt, da ist nichts zu machen. Trotzdem ist auf dem Berg einiges los. Dutzende Menschen stehen da und warten auf die Sonne, die nicht kommt, und eine kleine Zeremonie mit Trommlern und Geistlichen, die blumengefuellte Schalen tragen, zieht vorbei. In einem Schrein ist ein überdimensionaler Fussabdruck in Gold zu sehen, der je nach religiöser Ausrichtung von Buddha, Shiva oder von Adam stammen soll. Spaeter lesen wir in unserem Reisefuehrer, dass es zwei Wege auf den Adams Peak gibt. Eine leichte und eine schwierige Variante. Eine Legende sagt, dass eine Frau, die den schwierigen Weg schafft, in ihrem naechsten Leben als Mann auf die Welt kommt. Haha! Haetten wir das gewusst, waeren wir mit Caroline natuerlich den harten Weg gegangen.
Auf gluehenden Kohlen
In Kandy, einem netten Staedtchen mit bunten Haeuschen im Kolonialstil und einem riesigen buddhistischen Tempel besuchen wir eine Vorfuehrung mit traditionellen Sri Lankesischen Taenzen. Die Kostueme sind schoen, die Taenze vermoegen uns bis auf einige Ausnahmen allerdings nicht so richtig mitzureissen. Das Highlight ist das Kohlelaufen am Schluss. Auf dem Boden werden gluehende Kohlestuecke verteilt, und ein Mann laeuft darauf hin und her. Ob er einen Trick anwendet und vielleicht nur da hintritt, wo er Hornhaut hat? fragen wir uns. Kaum ist er fertig und die Vorstellung eigentlich zu Ende, murmelt Peter: “Ich hab zwar ne Scheissangst, aber jetzt probier ich das endlich einmal aus“. Und schon ist er vorne und laeuft ueber die Kohle. Zuerst langsam, dann immer schneller. Auch Migg probiert’s, und beide ueberstehen es ohne Schmerzen. Das heisst, waere da nicht ein klitzekleines Kohlestueck ein bisschen zu lange zwischen Miggs Zehen haengengeblieben...
Indien
Kerala - Suedindien
Wir erreichen Indien und ankern zuerst fuer einige Tage in Cochin im Suedwesten. Die Stadt liegt in der Provinz Kerala, deren Regierung seit ueber 50 Jahren kommunistisch ist. Der Staat hat im Vergleich zum restlichen Indien einen hohen Bildungsstandard, und die Armut scheint weniger drastisch zu sein als sonstwo. Selbst Streiks sind hier an der Tagesordnung, etwas fuer Indien sonst eher Unuebliches: Als wir zum Einkaufen gehen, nehmen wir ein "Tuctuc", eine der typischen schwarz-gelben Motor-Rikschas. Wir naehern uns dem Zentrum, und ploetzlich wird unser Fahrer von einer wuetend gestikulierenden Meute aufgehalten. Dutzende Tuctucs stehen am Strassenrand, die Fahrer haben sich zusammengeschart. Endlich verstehen wir: Heute ist Streik, und unser Chauffeur wollte nicht auf seine Einnahmen verzichten... Wir steigen aus, er gibt uns mit versteckten Handzeichen zu verstehen, wir sollten um die Haeuser gehen und in einer Seitengasse wieder zusteigen. Ueber schmale Schleichwege bringt er uns zum Metzger, wo wir fuer die naechsen Tage auf dem Schiff Fleisch einkaufen.
Wasserwege
Ein Tagesausflug fuehrt uns in die Backwaters, eine Lagunenlandschaft, bestehend aus einem Netz von Kanaelen, breiten Fluessen und Seen. Durch einen dichten Teppich von Wasserhyazinthen gleiten wir in einem kleinen Boot vorbei an Palmen und passieren immer wieder kleine, bunte Steinhaeuschen. Von weit her hoeren wir Gesaenge, untermalt von Trommelklaengen und entdecken mitten im gruenen Dschungel eine Kirche, in der gerade gefeiert wird. Die Kanaele werden ab und zu von hohen Steinbruecken ueberspannt. Das Fortbewegungsmittel der BewohnerInnen ist das Boot. In kleinen Einbaeumen wird allerlei transportiert. In den breiteren Gewaessern passieren wir ab und zu ein Hausboot, das mit geflochtenen Matten kunstvoll ueberdacht ist. Die Luft ist erfuellt von Vogelgezwitscher, und immer wieder sehen wir Eisvoegel davonfliegen. Die Leute leben unter anderem von der Fischerei und der Muschelsuche. Ein Mann steht balancierend in seinem kleinen Einbaum, in der Hand einen langen Holzstab. Er treibt eine riesige Entenschar vor sich hin, die wohl irgendwann im Kochtopf landet. Frauen in bunten Saris stehen am Ufer und waschen Geschirr und Kleider. Goa – von Hippies und Yogakursen
Waehrend rund einem Monat liegt das Schiff in einer Bucht vor Panjim, der Hauptstadt der Provinz Goa, bekannt fuer ausschweifende Partys und Hippiekultur. Grund fuer die lange Rast sind unter anderem die vielen Arbeiten, die auf dem Schiff zu erledigen sind. Goa ist vielerorts sehr touristisch und "unindisch".
Wir ankern direkt an der "Coco Beach", einem aus unserer Sicht ziemlich unattraktiven Streifen Sand mit zwei, drei Strandkneipen, der taeglich voll ist mit sonnenbadenden Touristen. Wir haben schon klareres Wasser gesehen und optimieren die Qualitaet mit unserem Klo, das direkt ins Meer fuehrt, auch nicht gerade. Wenn die Leute neugierig um unser Schiff herumschwimmen, reissen wir bloede Witze betreffend Toilette und hueten uns, selber baden zu gehen. Bis Peter am Strand beim Einsteigen ins Beiboot seinen Geldbeutel verliert. Weg ist er, und mit ihm zahlreiche Rupien- und Euroscheine. Wir sind ja keine Kollegenschweine und helfen ihm, mit Schnorchel und Taucherbrille in der "Kloake" nach den einzeln herumschwimmenden Geldscheinen zu tauchen. Immerhin finden wir eine ziemlich grosse Summe wieder, und ab sofort lachen wir nicht mehr ueber die badenden Touristen. Die Inder, die zu Niedrigstloehnen am Strand arbeiten, haetten sich wohl Hals ueber Kopf ins Wasser gestuerzt, haetten sie realisiert, was fuer eine Geldsumme darin herumschwimmt...
Arambol
Tim, der in Sri Lanka zugestiegen ist, hat einmal fuer einige Zeit in Goa gelebt und nimmt uns mit nach Arambol, wo seine Freundin Sylvia wohnt. Arambol ist ein Fischerdorf noerdlich von Panjim, in dem ausserhalb der Monsunzeit mehr Auslaender als Einheimische leben. Aussteiger und Langzeitreisende aus aller Welt lassen sich hier nieder, um mehr oder weniger nichts zu tun. Das Dorf ist voll mit Internet-Cafes, Batik-Kleiderstaenden, hollaendischen, franzoesischen und russischen Restaurants, deutschen Baeckereien und szenigen Beach-Clubs. Viele stranden hier, weil das Leben extrem billig ist. Fuer 1000 Euro kann man hier problemlos ein halbes Jahr leben. Was wir so sehen, ist nicht gerade unsere Welt, doch ist es aeusserst amuesant, die vielen aus unserer Sicht reichlich "Durchgeknallten" zu beobachten. Es gibt hier alles vom Yoga- bis zum Ayurvedakurs, dazu Vorlesungen von irgendwelchen selbsternannten Gurus. Zugegeben, wir sind halt nicht so spirituell veranlagt... natuerlich uebertreiben wir auch ein wenig, denn zwischendurch gibt es auch wirklich nette Leute. Wir lernen Andy kennen, einen Oesterreicher, der seit Jahrzehnten in Goa lebt und der eine wirklich gute Lebenseinstellung hat. Zusammen mit seiner kanadischen Freundin Hélène fertigt er spezielle Haengematten und "fliegende" Stuehle an, die sie in alle Welt verkaufen. Er erzaehlt uns, dass die meisten Leute einen falschen Eindruck von Goa kriegen, weil sie nicht aus den Touristenorten rausgehen. Direkt hinter Arambol liege ein wunderschoener Urwald, und sobald man weiter ins Landesinnere gehe, fuehle man sich mitten in Indien.
Andy leiht uns eines seiner Motorraeder aus, eine alte "Royal Enfield", eine urspruenglich englische Motorrad-Marke, die in Indien seit 1955 hergestellt wird.
Motorradtour nach Hampi
Das Fahren will gelernt sein. Das Pedal, das bei anderen Motorraedern normalerweise die hintere Bremse ist, ist bei der Enfield die Gangschaltung. Doch Migg hat's nach ein paar "Uebungstouren" schnell im Griff. Das Fahren mit der Enfield ist richtig kultig, so ein bisschen "harleymaessig". In diesem Sinne meint Andy vor der Abfahrt zu Caroline, sie solle auf Migg aufpassen, denn die Enfield lasse einem die Brusthaare wachsen, sprich, zum Macho werden (und die Beifahrerin zur Tussi, meint Migg).
Wir melden uns also bei "Kublai's Kahn II" fuer eine Weile ab und gehen auf Entdeckungstour nach Hampi, das im benachbarten Staat Karnataka liegt. Doch zuerst schauen wir beim Enfield-Mechaniker vorbei, um zwei, drei kleine Dinge zu richten. "Schraubst du noch, oder faehrst du schon?" lautet nicht umsonst ein beliebter Spruch unter Enfield-Fahrern. Aber Hauptsache cool. Wir ziehen schliesslich los, vorbei an den letzten Cashewnuss-Baeumen und hin zu ausgedehnten Baumwollfeldern. Ueber einen kleinen Berg windet sich die Strasse in die Hoehe und fuehrt bald durch lichte, immergruene Waelder mit Termitenhuegeln. Zwischendurch ist die Strasse so schlecht, dass wir nur sehr langsam vorwaerts kommen. Wo einst Asphalt war, sind nur noch Schlagloecher. Irgendwann merken wir, dass der Motor nicht mehr schnurrt, wie er sollte, und wir halten in Hubli, einer groesseren Stadt, an. Wir fragen uns nach einem Mechaniker durch und werden auch bald fuendig. Ramesh's Werkstatt ist auf Enfields spezialisiert. Einen ganzen Tag lang sitzen wir in seiner kleinen Werkstatt, einem blau angemalten Betonraeumchen, und schauen ihm zu, wie er an unserem Toeff rumbastelt. Nach bald acht Stunden sagt er zu uns: "Ich mag euch, weil ihr soviel Geduld habt. Normalerweise muss es bei Auslaendern immer schnell gehen." Wir fuehlen uns fast ein bisschen geschmeichelt: Reisen scheint tatsaechlich gelassen zu machen. Ja ja, wir hoeren euch schon... ist ja auch kein Wunder, wenn man keine Termine und keinen Zeitdruck hat.
Indiens Strassenverhaeltnisse machen das Land nicht gerade zu einem Motorradparadies. Es macht zwar Spass, so durch die Landschaft zu fahren, doch die Abgase der Busse und Lastwagen sind so dreckig, dass unsere Gesichter abends schwarz sind und wir ausschauen wie Kaminfeger. Ausserdem sind die Fahrkuenste der Inder nicht gerade vertrauenserweckend. Auf der Strasse sind vor allem riesige, bunt bemalte Lastwagen unterwegs, die sich eine Freude daraus machen, ihre musizierende Hupe zu druecken. Sie fahren halsbrecherisch, ueberholen vor scharfen Kurven und aus Prinzip nur dann, wenn sie garantiert nicht sehen, ob ihnen gerade etwas entgegenkommt. Ab und zu halten sie bei einem Schrein am Strassenrand an und beten, damit es wieder unbesorgt weitergehen kann.
Doch auch wir sind ja nicht ganz vorschriftsmaessig unterwegs, haben keinen Helm an und nur leichte Sandalen. Und da die indische Polizei sowieso immer etwas findet, das Anlass fuer eine Busse gibt, heisst es, bei allen Kontrollposten, die uns anhalten wollen, winkend und laechelnd vorbeizufahren. Die Polizisten sind dann so perplex, dass sie einfach stehen blieben und uns nachschauen. Trotz Vorsicht schaffen wir's nicht ohne einen kleinen Sturz. An der staubigsten, dreckigsten Stelle fallen wir praktisch aus dem Stillstand heraus auf die Seite und sind ueber und ueber mit schwarzem Staub bedeckt, ebenso unser Gepaeck...
Heilige Kuehe und feine Curries
Unterwegs lernen wir endlich das "richtige" Indien kennen. Ueberall ein gewisser Laermpegel, ein Verkehrschaos, lautes Gehupe, gute und weniger gute Gerueche, viel Staub und immer wieder heilige Kuehe, die ungeruehrt mitten auf der Strasse stehen. Haelt man irgendwo an, sammeln sich aus dem Nichts zahlreiche Leute, die einem Anstarren und interessiert beobachten, was man gerade so tut. Faehrt man an einem Dorf vorbei, rufen die Kinder von weitem und winken. Indien ist ein sehr farbiges Land: Die Maenner tragen gemusterte Wickelroecke (Longyi), die Frauen bunte Saris.
Das Essen ist besonders fuer Caroline, die am liebsten jeden Tag indisch essen wuerde, ein Paradies. Es gibt Gemuesecurries, Aloo Gobi (Kartoffeln mit Blumenkohl), Paneer (indischer Kaese), dazu Reis und Chapati, Naan, oder Porota (koestliche Brote). Die Inder essen mit der rechten Hand, sind Meister darin, Reis und Curry blitzgeschwind zu vermengen und elegant in den Mund zu fuehren. Von Hand essen scheint kinderleicht zu sein, doch als wir's probieren, werden wir ausgelacht. Ein Inder zeigt uns, wie's geht und wir stellen uns zuerst richtig ungeschickt an, bis wir den Dreh raus haben. Das Essen wird mit den Fingern gefasst und mit dem Daumen elegant in den Mund geschoben. Zum Dessert gibt es einen feinen Tschai (gewuerzter Schwarztee) mit viel Zucker. Die Preise sehr billig, fuer einen Dollar kriegt man ein reichhaltiges Mahl.
Tempelstadt Hampi
Wir kommen in Hampi an, der einstigen Hauptstadt eines grossen Hindu-Koenigreiches (14. bis 16. Jh.). Der Ort zieht heute zahlreiche Pilger und Touristen aus aller Welt an. Tatsaechlich ist die Landschaft spektakulaer. Das Dorf besteht aus einem kleinen Zentrum und zahlreichen, weit verstreuten Tempelruinen, die inmitten von aufgetuermten Steinbrocken unterschiedlichster Groesse liegen. Dazwischen verstreut stehen Bananenplantagen und Reisfelder. Das Ganze laesst sich aus der Hoehe wunderbar betrachten. So stehen wir noch vor Sonnenaufgang auf (was ganz Neues) und wandern Hunderte von Treppenstufen zum Affentempel hoch. Wir sind nicht alleine. Nebst einigen anderen Sonnenhungrigen ist eine Horde Affen auf dem Berg. Die Tiere sind sehr zahm und kommen immer naeher. Caroline hat die Hand in der Hosentasche und spuert auf einmal, dass jemand daran zieht. Es ist ein dreister Affe, der hofft, in der Tasche sei etwas zu futtern fuer ihn. Caroline setzt sich hin und ist bald von Affen umringt. Ploetzlich springt einer vor, klettert blitzschnell auf ihre Schultern und schwupp, ist er mit ihrer Brille in der Hand weg. Sie schreit laut, springt auf, und der Affe erschrickt so sehr, dass er die Brille ein paar Meter weiter fallen laesst. Gluecklicherweise ist sie noch ganz... Wir schauen uns oben beim Tempel noch etwas um, die Brille fest in der Hand, und legen uns dann, muede vom fruehen Aufstehen, fuer eine Stunde auf die Felsen.
Bei Ashok
In einem runden Nussschalen-Boot lassen wir uns ueber den Fluss bringen und mieten mitten in den Steinen ein Zimmer in der "Island Bakery". Dieses Guesthouse war vor Jahren das erste auf dieser Flussseite. Heute reihen sich entlang der schmalen Strasse zahlreiche Hotels und Restaurants aneinander, die voll sind mit bekifften Israelis, die gerade aus dem Militaerdienst kommen. Ashok, der Besitzer der "Island Bakery", erzaehlt uns von den alten Zeiten. Damals kamen regelmaessig Hippies aus Europa und hausten waehrend der warmen Saison in den Hoehlen rund um Hampi. Waehrend die meisten Inder diesem Treiben eher misstrauisch gegenueberstanden, ging Ashok bei ihnen vorbei und verkaufte ihnen Getraenke, Fruechte und Selbstgebackenes. Dies mit soviel Erfolg, dass er bald mitten in den Felsen seine eigene Baeckerei, die "Island Bakery", eroeffnete. Immer wieder uebernachteten die Leute bei ihm auf den Steinen, so dass er schliesslich ein Guesthouse mit Restaurant eroeffnete und selber kochte. Es wurde langsam groesser, doch auch der Konkurrenzdruck wuchs stetig, und immer weniger Leute finden heute den Weg zu ihm auf den Huegel. Wir diskutieren lange mit ihm und schlagen ihm vor, er solle unten im Dorf mit Bildern ein bisschen Werbung fuer die schoen gelegene "Island Bakery" machen. Wir fotografieren sein Guesthouse, die idyllische Umgebung und ihn in der Backstube, damit er mit den Bildern Werbetafeln gestalten kann.
Wir fragen Ashok, warum die Boote, in welchen die Leute ueber den Fluss gefahren werden, ab 18 Uhr mehr kosten (der Preis wird ab dann jede Stunde verdoppelt). Wir empfinden es als Touristenverarschung, doch er erklaert uns, dass die Betreiber offiziell eigentlich nur bis 18 Uhr arbeiten duerften. Fahren sie danach weiter, muessen sie der Polizei "Schweigegeld" bezahlen, was sich dann auf die Preise auswirkt... Wieder einmal realisieren wir, dass man den Dingen auf den Grund gehen muss, um sie zu verstehen. Denn jede auf den ersten Blick noch so unverstaendliche Handlung hat eine plausible Erklaerung.
Mit dem Alkoholausschank in den Restaurants in Hampi sei es aehnlich wie bei den Booten, meint Ashok. Fuer ihn sei es zu teuer, sich eine Lizenz zu kaufen, doch wie alle anderen muss auch er Bier ausschenken, damit die Leute nicht wegbleiben. Regelmaessig kommt die Polizei vorbei und fordert ihren "Bakschisch", ihr Trink-, oder besser Schmiergeld fuers "Nichthinsehen".
Das Bakschisch-Problem zieht sich bis in die oberen Etagen. Politische Raenge werden oftmals erkauft, und irgendwie muss das ausgegebene Geld ja wieder reinkommen. So entsteht ein schwer zu durchbrechender Teufelskreis von unten bis ganz oben in der Hierarchie.
Wir diskutieren und philosophieren mit Ashok den ganzen Abend lang. Ein Thema, das uns beschaeftigt, ist unter anderem auch die Kinderarbeit, die in Indien weit verbreitet ist. Erstmals so richtig aufgefallen ist es uns unterwegs in einem Hotel. In den Fluren putzten kleine Kinder den Fussboden, und im benachbarten Restaurant servierten um elf Uhr nachts Jungen, die vielleicht gerade Mal acht Jahre alt waren. Die Regierung sei viel zu lasch, kommentiert Ashok dieses Problem, sie kontrolliere nicht, ob die Kinder in die Schule gehen oder nicht. "In Hampi kriegen viele Kinder von den Touristen Geld geschenkt oder machen mit ihnen irgendwelche Geschaefte. Sehr schnell verdienen sie auf diese Weise ein Vielfaches von dem, was ihre Eltern kriegen. Warum sollten sie also noch die Muehe auf sich nehmen und zur Schule gehen?“
Oman
Das moderne Arabien
Entlang der mehrspurigen Kuestenstrasse in Muscat stehen weisse Haeuser mit verzierten Balkonen, dazwischen eine grosse Moschee mit leuchtendblauer Kuppel. Wir sind in Arabien angekommen, im Sultanat Oman. Nach vierzehn Tagen auf dem Meer finden wir uns unversehens in einer vollkommen anderen Kultur wieder. Hier ist alles viel ruhiger als in Indien, der Verkehr laeuft in geordneten Bahnen, die Strassen sind topmodern ausgebaut und die fetten Autos scheinen alle direkt ab Fabrik zu kommen, so wie sie glaenzen. Die Strassenraender sind mit rosaroten und weissen Petunien bepflanzt, und auf jeder Restflaeche breitet sich sattgruener Rasen aus. Sehenswert ist der verwinkelte Souq in Hafennaehe, der erfuellt ist von Sandelholz- und Weihrauchduft.
Einige Frauen sind verschleiert, doch ein Grossteil traegt das Gesicht offen. Der Oman gilt bezueglich Frauenrechte als eines der offeneren islamischen Laender. Die Maenner tragen reinweisse, wallende “Nachthemden“ (dishdashas) und bestickte Rundkaeppchen.
In den Geschaeften arbeiten vorwiegend Inder. Fragt man einen Omani, was er arbeitet, sagt er meist “I have a small business”. Was genau, ist dabei nicht so klar. Viele von ihnen scheinen ihre Tage damit zu verbringen, in ihren schicken Autos herumzufahren. Wir erfahren, dass die Inder bis 2007 das Land verlassen muessen, damit die eigenen Leute wieder aktiver werden. Ob dies wirklich stimmt, konnten wir nicht herausfinden. Doch wenn ja, bricht fuer viele Omanis eine harte Zeit an.
Im Vergleich zu den anderen Laendern, die wir bereist haben, ist hier alles sehr teuer. Die Produkte kommen aus aller Welt, es gibt sehr wenig Einheimisches. Die Gemuese und Fruechte zum Beispiel stammen bis auf ein paar Bananen mehrheitlich aus China und Indien. Auch das Essen, das in den Restaurants angeboten wird, ist meist indisch angehaucht.
In der Dauwerft
Das Staedtchen Sur suedoestlich von Muscat ist bekannt fuer seine Schiffswerften. Hier werden die letzten Daus, die klassischen arabischen Transport- und Fischerboote, hergestellt. Wir besuchen eine Werft und steigen eine Holzleiter hoch in eine riesige Holzdau, die gerade im Bau ist. Ein anwesender Inder erzaehlt uns, dass sie fuer den Koenig von Jordanien bestimmt sei. Mit einem kleinen Faehrboot setzen wir ueber die Lagune zu einem kleinen Dorf. In den verwinkelten Gaesschen springen Ziegen herum, und am Strand halten einige Fischer am Schatten Siesta. Im Faehrboot sitzt auch ein junger Araber, der unvermittelt aufs Dorf zeigt uns zu uns sagt: “My father is the richest man around here!“ Etwas irritiert schauen wir ihn an, und kaum hat das kleine Boot angelegt, verabschiedet er sich und verschwindet.
Die Omanis sind im allgemeinen sehr freundliche Leute. Geht man entlang der Strasse, dauert es nicht lange, bis jemand anhaelt und einem mitnimmt. Sie scheinen alle gut gebildet zu sein und die meisten sprechen etwas englisch.
In den Bergen
Von Salalah, das im Sueden Omans liegt, fahren wir fuer einen Tag ins Landesinnere. Die Provinz Dhofar ist bekannt fuer ihre Weihrauchbaeume. Die Gewinnung des duftenden Baumharzes hat seit mehreren Tausend Jahren Tradition. Verteilt in der weiten Landschaft stehen die Baeume mit den verzweigten Staemmen. Entlang der schuppigen Rinde entdecken wir eine Stelle, an der das Harz herunterlaeuft. Die gezahnten Blaetter wachsen direkt aus dem alten Holz. Das aufgefangene Baumharz wird ab Maerz geerntet und bis in den Herbst getrocknet, bis es dann auf den Markt kommt. Auf kleinen Holzkohleschalen werden die Harzstueckchen verbrannt und verstroemen einen suesslich-schweren Duft, der eine entspannende und mueckenvertreibende Wirkung haben soll. Wir versuchten es und raeucherten das Schiff aus, doch die Muecken liessen sich davon nicht wirklich abhalten.
Ueber eine Serpentinenstrasse, die foermlich aus dem Berg herausgehauen zu sein scheint, erreichen wir eine bergige Gegend mit schoenem Weitblick. Der Eingriff in die Landschaft ist ziemlich krass; von weitem wirkt die Strasse wie ein grosser Steinbruch. An den relativ gruenen Berghaengen wachsen Drachenbaeume (Dracaena serrulata) mit purpurnen Bluetenrispen. Die Blattschoepfe stehen auf kurzen Staemmen. Wir passieren eine Kamelherde, die gerade am Doesen ist, und fotografieren die Tiere, die uns ziemlich nahe ran lassen, von allen Seiten.
Jemen
Abschied von "Kublai’s Kahn II"
Die Ankunft im Jemen bedeutet fuer uns Abschiednehmen. Nach viereinhalb Monaten und ungefaehr 4839 Seemeilen wollen wir wieder unsere eigenen Wege gehen. Urspruenglich wollten wir ja nur bis Sri Lanka mitsegeln...
Den Moment, als wir im Hafen stehen und zusehen, wie das Schiff und die winkenden Leute an Bord immer kleiner werden, vergessen wir nicht so schnell. Wir werden die Crew und das offene Meer vermissen. Einerseits ist Wehmut da, anderseits freuen wir uns darauf, wieder alleine loszuziehen und mit allen Sinnen in die Kultur eines Landes einzutauchen. Denn waehrend der Reise auf dem Schiff war die Zeit in den einzelnen Laendern eigentlich viel zu kurz, um sie wirklich kennenzulernen. Statt schoener Landschaften und Sehenswuerdigkeiten sahen wir vor allem Geschaefte mit Elektroteilen, Schrauben und Naegeln, Kraemerlaeden und Gemuesemaerkte. Doch in gewisser Weise lernt man auch so Land und Leute kennen. Feilscht man um den Preis einer Ananas oder laesst sich die Funktionen eines neuen Batterie-Ladegeraetes erklaeren, findet man sich unversehens mitten im Alltagsleben der Einheimischen wieder.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Sana'a, der Hauptstadt des Jemens sind wir mit zwei Eseln durch die terrassierte Berglandschaft gezogen, vorbei an Feldern und Doerfern, die wie Burgen auf den Felsen thronen. Was wir dabei alles erlebt haben? Hier geht’s zum Reisebericht!
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Last update: 09:57 26/02 2007
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